01 November, 2012

Eine Frage der Interpretation

Die Bertelsmannstiftung hat die Durchlässigkeit des Schulsystems in Deutschland untersuchen lassen. Sie ließ vergleichen, wie viele Schüler in jedem Bundesland von einer niedrigeren in eine höhere Schulform wechseln und wie viele von oben nach unten. Die Begeisterung über das Ergebnis ist unterschiedlich.

Der bayerische Kultusminister ist stolz, denn sein Land hat sogar mehr Aufsteiger als Absteiger. Kunststück, moniert der Bayerische Elternverband: Wer durch sein rigoroses Übertrittssystem viele gute Schüler nach der Grundschule erstmal in die Hauptschule schickt, braucht sich nicht auf die Schulter zu klopfen, wenn diese sich dann doch als Realschüler oder Gymnasiasten entpuppen. Ein Blick in den bayerischen Bildungsbericht 2009 zeigt: Da hat sich zwischen 2007 und 2011 viel getan, denn 2007 wechselte in Bayern nur jeder vierte Schulformwechsler an eine höhere Schulform, meist mit Wiederholung der Klasse, 2011 war es jeder zweite.

Lehrerverbandspräsident Kraus verkündet mit sichtbarem Schaum vor dem Mund, dass die Bertelsmannstiftung tendenziöse Berichterstattung betreibe und verweist auf Zahlen des statistischen Bundesamts, die allerdings den Schulformwechsel nicht widerlegen. Der Stiftung unterstellt er Eigeninteresse, verrät aber nicht, worin dieses bestehen soll. Macht das miserable Programm privater Fernsehsender tatsächlich Hauptschüler aus Gymnasiasten? Und wenn ja: Was hätte die Stiftung davon, das anzuprangern? Aber auch dafür liefert Josef Kraus sicherlich noch eine Erklärung.