15 Januar, 2007

Der verständige Betrachter

Der bayerische Verfassungsgerichtshof hat heute die Klage eines islamischen Verbands gegen das Kopftuchverbot abgewiesen. Anders als der Landtag und die Staatsregierung hat er immerhin nicht daran gezweifelt, dass ein islamischer Verband überhaupt klagen darf. Aus der Entscheidung des Gerichts können Laien allerhand lernen:

1. Freie Religionsausübung ist weniger wichtig als die Bildungswerte der Verfassung.

2. Die Bedeutung eines Symbols entsteht im Auge des Betrachters.

3. Ob das Kopftuch zu den Symbolen gehört, die ein bayerisches Auge verletzen, entscheidet nicht der Verfassungsgerichtshof, sondern ein hypothetischer "verständiger Betrachter".

4. Der steht mit beiden Beinen auf dem Boden der bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes und prüft die Wirkung des Symbols. Wie das Symbol auf Eltern oder Kinder wirkt, spielt keine Rolle, egal, auf welchem Boden diese stehen.

5. Und schließlich für Nichtjuristen möglicherweise überaschend: Die Neutralitätspflicht des Staates gegenüber der Kirche bedeutet nicht die Trennung von Staat und Kirche.
Das leuchtet ein, immerhin zahlt der Staat das Gehalt der Bischöfe. Und der "verständige Betrachter" akzeptiert da zum Glück auch das Geld islamischer Steuerzahler.