27 August, 2005

Leise, sie könnten dich hören

Wenn jemand in einem reinen Wohngebiet ein Büro, ein Geschäft oder einen Kindergarten aufmachen will, muss er Sondernutzung beantragen und nachweisen, dass sein Vorhaben nicht gegen die Regeln für Wohngebiete verstößt. Dagegen ist nichts zu sagen. In dem Hamburger Fall, der jetzt mit so viel Rauschen durch den Blätterwald geht und für die wahlkämpfenden Politiker ein gefundenes Fressen ist, bestand der Kindergarten schon und die Nachbarn hatten ihn bei der Gründung vor einigen Jahren auch akzeptiert. Aus wenigen Kindern und wenigen Stunden wurden viele Kinder und viele Stunden, das störte die Nachbarn. Sie klagten, nachdem Gespräche zu nichts geführt hatten.

Mag sein, dass die Richterin nach dem Buchstaben des Gesetzes den Klägern Recht geben musste, mag auch sein, dass sie Spielraum gehabt hätte für eine andere Entscheidung. Immerhin gelang es den Trägern des Kindergartens nicht, nachzuweisen, dass der Lärm unter der für Wohngebiete geforderten Grenze liegt - weil die benachbarte vierspurige Straße so laut ist, dass sich der Kinderlärm einfach nicht messen ließ. Eine aberwitzige Situation, die wohl einen kreativen Juristen gebraucht hätte.

Bemerkenswert ist an dem Fall zweierlei: dass Verkehrslärm in Deutschland hingenommen werden muss wie ein Naturgesetz, denn man kann zwar über, aber nicht gegen eine laute Straße klagen; und dass der Aufschrei für Kinder mittlerweile zur political correctness gehört und jeder wohl gelitten ist, der "das heilige Wort Kind", wie es ein Schulleiter einst nannte, im Munde führt. Dass er ungestraft über die Kläger herfallen darf, ohne Einzelheiten zu kennen, versteht sich von selbst.

Ist das nun unser Weg zur kinderfreundlichen Gesellschaft?