30 April, 2013

Der Seismograph

Eines muss man Hubert Aiwanger lassen: Auch wenn er von Bildung vermutlich noch weniger versteht als die Bildungsspezialisten seiner Partei, ist er ein Seismograph für die Stimmung im Wählervolk. Im Mai starten die Freien Wähler in Bayern  ihr Volksbegehren zur Wahl zwischen G8 und G9.

Die SPD will sich neutral verhalten. Die Grünen sind gegen die Rolle rückwärts, die großen Elternverbände ebenfalls, Kultusminister Spaenle sowieso. Dennoch wird Aiwanger Stimmen holen, denn er erreicht vor allem die Besitzstandswahrer. Wenn das Gymnasium wieder um 13 Uhr ende - was es auch zu G9-Zeiten in höheren Klassen nie tat -,  würden die Jugendlichen wieder in den Sportverein und in die Musikschule strömen. Die unterschwellige Botschaft: Niemand braucht sich ein neues Konzept auszudenken, schon gar nicht ein grundsätzliches für das G8.

Ein Treppenwitz der Weltgeschichte ist, dass in Aiwangers G9 dasselbe gelernt werden soll wie heute im G8. Als Stoiber 2003 das G8 einführte, hatte das Kultusministerium längst ein Konzept für ein neues G9 geschrieben. Nach diesem Konzept bastelte man seinerzeit: das G8.

20 April, 2013

Der Sofakritiker

Deutsche Schulen sind schlecht. Das schreibt der Populärphilosoph Richard David Precht in seinem jüngsten Buch, welches er in der ZEIT vorstellt. Er weiß, was man tun müsste: Noten abschaffen, den Lehrplan am besten gleich mit, auf jeden Fall aber die herkömmlichen Jahrgangsklassen und die hässlichen Schulgebäude.  Der Lehrer wird zum Lernbegleiter, und alle gehen in eine Gemeinschaftsschule, ganztags und in Schuluniform.

Ties Rabe, Bildungssenator in Hamburg, sieht das anders. Er weiß aus leidvoller Erfahrung mit der Hamburger Primarschule, dass deutsche Eltern sich das Gymnasium nicht wegnehmen lassen. Er ist sicher: Eltern wollen Zensuren und Kinder brauchen keinen Lernbegleiter, sondern einen Lehrer, der ihnen sagt, wo es langgeht. Und Schulleiter haben anderes zu tun, als nebenbei die Schule neu zu erfinden.
 
Ein bisschen recht haben sicherlich beide. Doch Prechts Thesen verkaufen sich besser. Als Buch.

06 April, 2013

Sortiert zum Sport

Muslime wollen getrennten Sportunterricht für Jungen und Mädchen, und Peer Steinbrück findet das ganz in Ordnung. Was für eine hinterwädlerische Einstellung! Da sind sich alle einig, von der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer bis zum Redakteur der Nürnberger Nachrichten. Von Bayerns Offiziellen hat man derweil noch nichts gelesen. Nichts aus der Staatskanzlei, nichts von der CSU-Fraktion und nichts aus dem Innenministerium. Dabei sind sie doch sonst immer so schnell, wenn es darum geht, "Islamisten" in die Pfanne zu hauen. Und den SPD-Kanzlerkandidaten sowieso.

Selbst das Kultusministerium, immerhin zuständig für den Sportunterricht, schweigt. Warum? Tja, das ist fast ein wenig peinlich: In Bayern wird Sport von der fünften Klasse an nach Geschlechtern getrennt unterrichtet, nachzulesen in den Lehrplänen für Realschule (S. 81) und Gymnasium (Ziele und Inhalte). Und Mädchen lernen etwas anderes als Jungs.

Ergriffen liest man im Sport-Lehrplan der 8. Klasse Mittelschule, S. 295: "Gymnastik mit Handgeräten: einfache technische Fertigkeiten mit dem Band und Reifen erlernen und einfache Kombinationen nach Musik mit einem Handgerät darstellen. Nur Mädchen."