30 September, 2005

Der Blick ins Elternportmonee

Darf der Klassenlehrer wissen, ob ein Kind arme Eltern hat? Der bayerische Kultusminister Siegfried Schneider meint ja, denn Lehrer seien Beamte und daher schweigepflichtig. Also dürfen die Klassenlehrer beim Einsammeln des Büchergelds nun doch den Umschlag öffnen, in dem der Befreiungsantrag liegt. Das findet der Datenschutzbeauftragte Bayerns gar nicht gut. Er würde den Blick in die leeren Portmonees der Eltern am liebsten nur den Sekretärinnen erlauben.
Lehrer - zumindest die an der Grundschule - sagen, dass sie ohnehin meistens wissen, aus welchem Elternhaus ihre Schüler kommen, und dass dieses Wissen ihnen hilft, die Kinder zu verstehen. Ein einsichtiges Argument, und deswegen können Eltern der Idee, dass jeder Klassenlehrer Hausbesuche bei seinen Schülern macht, durchaus etwas abgewinnen.

Ein ungutes Gefühl bleibt dennoch. Nachweislich empfehlen Lehrer den Kindern aus sozial schwächeren Schichten nicht so leicht den Übertritt ans Gymnasium oder an die Realschule wie den Kindern betuchterer Eltern - bei gleicher Begabung. Das mag fürsorglich gemeint sein: Die Eltern würden ihr Kind ja weder selbst unterstützen noch den Nachhilfeuntericht bezahlen können. In einem Bundesland, in dem Eltern nicht selbst bestimmen können, welche Schule ihr Kind besucht, sind solche Empfehlungen aber ein ganz besonderes Handicap. Zumal gerade Eltern aus den so genannten bildungsfernen Schichten den Rat des Lehrers annehmen, anstatt für bessere Bildungschancen zu kämpfen.

26 September, 2005

Fernsehen macht dumm

Christian Pfeiffer, der unermüdliche Ursachenforscher aus Niedersachsen, hat die ultimative Erklärung für Bayerns PISA-Erfolg: Bayerische Kinder besitzen weniger Fernseher und Spielkonsolen als norddeutsche, das belegt eine Studie aus Pfeiffers Haus. Und dass bayerische Kinder schlauer sind, hat PISA gezeigt. Für Pfeiffer ist klar: "Fernsehen macht dumm." Also weniger Geräte, dafür mehr spielen, meint er, dann werden Kinder aus Dortmund und Hannover so schlau wie die aus München.

Seit es in Deutschland weniger Störche gibt, ist die Geburtenrate drastisch gesunken. Was lernen wir daraus? Dass der Storch die Kinder bringt. Und nun warten wir darauf, dass Herr Pfeiffer dem besonders kinderarmen Nordosten vorschlägt, Störche anzusiedeln. Damit es dort endlich wieder genug Kinder gibt.

P.S. am 18.10.05: Pfeiffers Schlussfolgerung sehen offenbar auch andere skeptisch, zum Beispiel der Mainzer Medienpädagoge Stefan Aufenanger.

19 September, 2005

Zehetmair, übernehmen Sie!

Nun gibt es endlich den Rechtschreibrat, der den unbotmäßigen Rechtschreibreformern die orthografische Richtung weist und nebenbei das deutschsprachige Abendland rettet. Was er nicht rettet, ist die rechte Schreibweise des wichtigsten bayerischen Worts. So liest man in den Oktoberfestberichten der bayerischen Zeitungen von einer "Maß" Bier und müsste doch von einer "Mass" lesen. Das a wird kurz gesprochen, das ß müsste zum Doppel-s werden. Der Duden weiß das natürlich nicht, er spricht nicht Bairisch. Aber Zehetmair spricht Bairisch.

Zehetmair, übernehmen Sie!

07 September, 2005

Die Schule des Grauens

Glaubt man einer neuen Studie der Universität Bielefeld, oder glaubt man vielmehr dem, was DIE WELT darüber berichtet, sind Ganztagsschulen nur etwas für stabile Kinder. Die weniger stabilen seien heillos überfordert, wenn sie nun auch noch nachmittags mit anderen Kindern zusammen sein müssten.

Abgesehen davon, dass es jedem Menschen gut tut, wenn er sich mal zurückziehen kann, und dass deshalb Ganztagsschulen auch Ruheräume brauchen (bayerische Verteiler der IZBB-Mittel bitte herhören!), sind die weiteren Bedenken gegenüber der Ganz-
tagsschule erstaunlich. Da werden die Kinder "fast in ihrer gesam-
ten lernaktiven Zeit einem TV-flimmer-bildähnlichen Fremdbe-
treuungssystem ausgesetzt" und die "Tiefe der Kind-Geschwister-
Beziehung gerät in Gefahr". Ein Kinder- und Jugendpsychiater berichtet, dass die Schüler "in der Schule meist schutzloser als außerhalb Drogendealern, Repressalien und Mobbing älterer Mitschüler ausgesetzt" sind.

Die Ganztagsschule - eine Schule des Grauens?

Nun gut, hier merkt jeder, dass nur Vertreter einer bestimmten Richtung zitiert werden. Journalistisch richtig unsauber wird der Beitrag, wo eine Studie von Hellbrügge aus dem Jahr 1956 belegen soll, dass der Nachmittagsunterricht Kinder zu stark belastet. Zwar schreibt Hellbrügge das. Er schreibt aber auch: In Bayern war seinerzeit nachmittags Unterricht, weil die Schulräume nicht reichten, eine Notlösung. Die Kinder sollten zwischen 13 und 15 Uhr, also im biorhythmischen Tief, ernsthaft lernen - kein Wunder, dass sie gestresst waren. Vom rhythmisierten Unterricht einer guten Ganztagsschule war damals ja noch lange nicht die Rede.

Na, und dann das Allerschlimmste an der Ganztagsschule: "Als Nebeneffekt verabschieden sich immer mehr Eltern von der Erziehungstätigkeit." Ganz klar: Die wollen sich drücken, und das geht ja nun wirklich nicht. Wer Kinder hat, der soll auch dafür büßen.