19 August, 2007

Ausgleichende Gerechtigkeit

Wenn Eltern (na ja: Mütter) ihr Kind selbst erziehen, statt es in eine Krippe zu schicken, sollen sie dafür Geld bekommen, sagt die CSU. Das leuchtet ein. Schließlich sabbert dieses Kind die selbstbezahlten häuslichen Teppiche voll und nicht die steuerfinanzierten in der Krippe. Wer öffentliche Einrichtungen nicht nutzt, wird finanziell entschädigt.

Das ist Gerechtigkeit mit Zukunft. Wer Autobahnen meidet, kriegt die Mautgebühr raus. Wer nicht ins Theater geht, darf sich über eine regelmäßige monatliche Überweisung freuen, die seinem Anteil an der Kultursubvention entspricht. Und wer nie in öffentlichen Bädern schwimmt, weil er schon immer wasserscheu war, dem überweist die CSU wenigstens den Gegenwert einer Dauerkarte.

Was das mit Bildung zu tun hat? Nun, es erklärt, warum deutsche Eltern ihre Kinder nicht zu Hause unterrichten dürfen: Bei durchschnittlich 4500 Euro pro Schüler und Jahr wäre die Ausgleichszahlung fürs Nichtnutzen steuerfinanzierter Bildung einfach zu hoch.

16 August, 2007

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Joachim Hermann findet 14 Wochen Schulferien zu viel. Als die FDP im Sommer 2006 dieses Thema aufbrachte, gab es nicht annähernd solchen Wirbel wie jetzt. Fairerweise muss man sagen, dass Herrmann vom Ferienkürzen schon im März 2005 sprach, als Bayern grübelte, wann der Stoff des von Stoiber so selbstherrlich gestrichenen 13. Schuljahres unterrichtet werden könne.

Jetzt also kürzere Ferien. Kürzt Bayern die Sommerferien, müssen die anderen Bundesländer einverstanden sein. Eine bundesweite Ferienänderung wegen stressgeplagter bayerischer Gymnasiasten? Und kürzere Ferien auch für die ca. 1,4 Millionen bayerischen Nichtgymnasiasten, weil man ja innerhalb Bayerns einheitliche Ferien haben müsste? Darüber hat der Gymnasiastenvater Herrmann vermutlich noch nicht mal nachgedacht.

Mit dem Nachdenken haben sie es ja auch sonst nicht so: erst ein ganzes Schuljahr streichen, dann nach kürzeren Ferien schreien. Die CSU auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Wenigstens passt Proust prima zum Jahr der Geisteswissenschaften.

09 August, 2007

Stiller Verzicht

Ein Lehrer hat vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof 13,26 erstritten. Das ist die Differenz zwischen dem Anteil, den der Staat ihm erstattet hatte, und den tatsächlichen Kosten für eine Klassenfahrt. Der Dienstherr, so meinte die Behörde, müsse zahlen, wenn er eine Reise anordne.

Seit Jahren verzichten Lehrer nicht nur in Bayern mehr oder weniger freiwillig auf einen Teil der Reisekostenerstattung, weil das Geld vom Staat einfach nicht reicht. Täten sie das nicht, würde die Hälfte der Klassenfahrten ins Wasser fallen. In einigen Ländern, bei denen das nicht ausdrücklich in den Tarifverträgen steht, dürfen die Lehrer nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2003 nicht mehr auf die Erstattung verzichten. Weil die Länder kein Geld hatten, mussten dort Fahrten gestrichen werden.

So weit ist es in Bayern zum Glück noch nicht. Hier ist das Verzichten noch erlaubt. Und warum auch nicht? Die meisten Eltern erfahren ja nicht einmal, dass sie es sind, die für diesen Verzicht in die Tasche greifen. Weil die Lehrerkosten nämlich meist stillschweigend auf die Schüler umgelegt werden.

08 August, 2007

Ins Sommerloch gepurzelt

Die Neue Presse Coburg schreibt am 8. August:
"München (dpa/lby) - Schüler in Bayern sollen auch künftig samstags schulfrei haben. Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag, Gerhard Waschler (CSU), lehnte am Mittwoch Pläne Nordrhein-Westfalens, den Samstag bei Bedarf wieder zum Schultag zu machen, als Modell für den Freistaat ab. «Den Samstag sollten wir unseren Schülern freihalten», sagte Waschler in München. Aktuell gebe es keine Überlegungen, etwa zur Entzerrung der angespannten Unterrichtslage wegen des achtjährigen Gymnasiums (G8) die Schüler samstags wieder in die Schulen zu schicken."

So ein Pech! Erst erwischt Waschler das falsche Sommerlochthema, denn derzeit diskutiert ganz Deutschland über das bundesweite Zentralabitur. Und dann vergaloppiert er sich auch noch, denn die Schulen in Bayern dürfen längst selbst bestimmen, ob sie fünf Tage in der Woche unterrichten wollen oder sechs.

Muss der Vorsitzende eines Bildungsausschusses so etwas wissen? Muss er nicht. Muss er über etwas reden, wovon er keine Ahnung hat? Muss er, der Ärmste. Er ist Politiker.

07 August, 2007

Zum Wohle des Kindes?

Ob Erwachsene zum Wohle der Kinder entscheiden, hängt offenbar von ihrer Profession ab. Kurz gesagt: Der Administration traut man es zu, den Eltern nicht. Widerspenstige Eltern dürfen daher durchaus zu ihrem Glück oder vielmehr zum Glück ihres Kindes gezwungen werden. In Bayern ist das seit Menschengedenken so: Hier entscheidet der Staat, ob er ein Kind im Gymnasium oder in der Realschule überhaupt haben will.

Nun können sich endlich auch die Eltern in NRW auf solche staatliche Fürsorge verlassen. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte, dass Schüler zu Recht am Realschulbesuch gehindert werden, wenn sie den Probeunterricht nicht bestanden haben. Der Staat schütze auf diese Weise Kinder vor Überforderung durch eine Schulart, für die sie nicht geeignet seien.

Ach ja? Ginge es dem Staat wirklich um das Beste für alle Kinder, müsste er sie auch vor Unterforderung schützen. Die ist nämlich mindestens genauso schädlich. Von einem staatlichen Verbot, Kinder mit Gymnasialeignung in Realschulen oder Hauptschulen zu schicken, war aber noch nie etwas zu hören.

Wie kommt es nur, dass die Worte "Zum Wohle des Kindes" sich in solchen Verlautbarungen stets lesen wie "Zum Sichern der Pfründe"?

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Quelle:
Pressemitteilung des Schulministeriums NRW