17 November, 2012

Überflüssige Herdprämie

Nun kommt das Betreuungsgeld also doch, obwohl fast niemand es will. Es ist eine Schnapsidee, keine Frage. Allerdings nicht, weil es wirklich Bildung verhindert. Manche Eltern kassieren angeblich lieber das Geld, anstatt ihr Kind in eine Krippe zu schicken, wo es besser gefördert würde als zu Hause. Ein  Vorwurf, der durch nichts belegt ist, aber sehr gut zeigt, wie Bessergestellte sich nach unten abzugrenzen versuchen.

Welche Eltern sollen das denn sein, die ihr Kind wegen 100 oder 150 Euro zu Hause lassen? Hartz-IV-Bezieher, des Bildungsbürgertums liebste Verdächtige, schon mal nicht. Die erhalten kein Betreuungsgeld, egal, wie viele Kinder sie nicht in die öffentliche Krippe schicken. Und die anderen? Wer Geld verdienen muss, braucht Kinderbetreuung. 150 Euro ersetzen kein Einkommen. Die Eltern könnten immerhin arbeiten und das Kind privat betreuen lassen. Auch dann gibt es schließlich Betreuungsgeld. Das wäre dann immerhin ein Zuschuss zum Honorar für die Tagesmutter.

Die Kommunen treibt nun eine neue Befürchtung um: Ganz clevere Eltern schicken ihr Kind womöglich in die Krippe im Nachbarort und beantragen das Betreuungsgeld trotzdem. So haben sie einen Extrazuschuss zum öffentlich finanzierten Krippenplatz. Überprüfen könnte das niemand.

Die "Herdprämie" hat nichts mit Anerkennung der Erziehung in der Familie zu tun. Sie wirkt allenfalls als Stillhalteprämie - für alle, die im August 2013 klagen könnten, weil sie keinen Krippenplatz finden. Wer sein Kind ohnehin zu Hause behalten will, nimmt das Betreuungsgeld als nettes Geschenk. Und das sind genau die, die es am wenigsten brauchen.

01 November, 2012

Eine Frage der Interpretation

Die Bertelsmannstiftung hat die Durchlässigkeit des Schulsystems in Deutschland untersuchen lassen. Sie ließ vergleichen, wie viele Schüler in jedem Bundesland von einer niedrigeren in eine höhere Schulform wechseln und wie viele von oben nach unten. Die Begeisterung über das Ergebnis ist unterschiedlich.

Der bayerische Kultusminister ist stolz, denn sein Land hat sogar mehr Aufsteiger als Absteiger. Kunststück, moniert der Bayerische Elternverband: Wer durch sein rigoroses Übertrittssystem viele gute Schüler nach der Grundschule erstmal in die Hauptschule schickt, braucht sich nicht auf die Schulter zu klopfen, wenn diese sich dann doch als Realschüler oder Gymnasiasten entpuppen. Ein Blick in den bayerischen Bildungsbericht 2009 zeigt: Da hat sich zwischen 2007 und 2011 viel getan, denn 2007 wechselte in Bayern nur jeder vierte Schulformwechsler an eine höhere Schulform, meist mit Wiederholung der Klasse, 2011 war es jeder zweite.

Lehrerverbandspräsident Kraus verkündet mit sichtbarem Schaum vor dem Mund, dass die Bertelsmannstiftung tendenziöse Berichterstattung betreibe und verweist auf Zahlen des statistischen Bundesamts, die allerdings den Schulformwechsel nicht widerlegen. Der Stiftung unterstellt er Eigeninteresse, verrät aber nicht, worin dieses bestehen soll. Macht das miserable Programm privater Fernsehsender tatsächlich Hauptschüler aus Gymnasiasten? Und wenn ja: Was hätte die Stiftung davon, das anzuprangern? Aber auch dafür liefert Josef Kraus sicherlich noch eine Erklärung.