29 Dezember, 2006

Kräutertee aus Liebe

Es gibt Texte, die können nur in den Raunächten geschrieben werden. In der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester, wenn die Weihnachtsgans noch auf den Magen und damit aufs Gemüt drückt. Da verortet dann schon mal ein Theologe und Philosoph mangelnde Elternliebe dort, wo Kinder ohne Frühstück aus dem Haus gehen. Wer selbst Kinder hat weiß, wie viele Gründe es dafür geben kann, dass ein Kind mit leerem Magen das Haus verlässt. Geradezu dreist ist die Behauptung, Milch und Butterbrot könnten doch kein finanzielles Problem sein, außer für Alkoholiker und sonstige Süchtige. Da hätte sich der Herr Professor doch besser erst einmal bei denen umgehört, die nicht nur theoretisch mit Armen zu tun haben.

Es gibt Texte, die können nur in den Raunächten geschrieben werden. Und es gibt welche, die kann man nicht einmal in den Raunächten lesen.

Die Leiden des Föderalismus

Bildungsföderalismus macht Länder unabhängig? Von wegen! Die armen Bayern leiden heftig unter dem Rest der Republik.

In Bayern ist alles wunderbar, das weiß jeder. Natürlich ist auch die Hauptschule wunderbar. Man wird sie dennoch umbenennen müssen, denn der schlechte Ruf der Hauptschule anderer Bundesländer bringt die bayerische ins Gerede. Sagte Karl Freller, Staatssekretär im Kultusministerium, in einem Interview den Nürnberger Nachrichten.

Woanders brauchen sie neue Namen, weil sie neue Schulformen erfinden. Die Bayern aber müssen sich einen neuen Namen ausdenken, weil die Bremer Hauptschule versagt hat.


26 Dezember, 2006

BEV wirkt

Am 15. Dezember fordern Eltern, Lehrer und die bayerische Wirtschaft mehr echte Ganztagshauptschulen. Die Antwort aus dem Kultusministerium kommt postwendend: Ganztagsangebote sollen es sein, denn die kosten erheblich weniger, auch wenn der Kultusminister das natürlich nicht so sagt. Der Bayerische Elternverband erläutert einige Stunden vor der Kabinettsklausur dem widerspenstigen Ministerium in einer Pressemitteilung, dass Eltern nicht mitmachen, wenn es nicht rhythmisierte Ganztagshauptschule werden. Am selben Abend beschließen die CSUler, die bayerische Hauptschule durch mehr rhythmisierte Ganztagsschulen zu stärken, denn das wollten sie ja im Grunde schon immer.

Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt!

24 Dezember, 2006

Prävention mit Untertiteln

Von der wegen ihrer großen Mitgliederzahl besonders kreativen Familie Stautner aus Augsburg kommt ein Vorschlag für Beckstein, sollte dieser sein Killerspielverbot nicht durchbringen:

Der Film, egal ob im TV oder auf DVD, ist das Medium der Prävention. Beispiel Rauchen: Greift der Held zur Zigarette, erscheint im Untertitel der Hinweis, dass Rauchen tötet oder dass dem Raucher zumindest die Beine abfallen. Im Krimi: Sobald der Böse den Colt zückt, erfährt der Betrachter, dass er in Deutschland zu jeder Waffe einen Waffenschein braucht, und überdies von der Gefahr der Selbstentleibung, der sich tollpatschige Waffenbenutzer aussetzen. Beim Banküberfall: Strafprozess und Haftdauer werden erläutert, ein kurzer Blick in den Speiseplan der Gefängniskantine verstärkt den Eindruck. Im erotischen oder Heimatfilm: Küsst der Held die Heldin, erläutert die Unterzeile die Sicht des Vatikans und eventuell Frau von der Leyens auf den Beischlaf vor der Ehe und die Freuden der Fortpflanzung, mit Einblendung der Elterngeldtabelle.

Unvorstellbar, meinen Stautners, was auf diese Weise an Präventionskosten gespart würde! Und irgendwann werde man auf die Filmhandlung gänzlich verzichten können, weil der geneigte Zuschauer so auf die Untertitel fixiert ist, dass er zu nichts anderem mehr kommt. Prävention pur.

Schwarz auf weiß

Liechtensteiner Primarschüler - erste bis fünfte Klasse - erhalten seit sechs Jahren keine Noten mehr. Den Eltern wird in einem ausführlichen Gespräch erläutert, was ihr Kind kann und was nicht. Doch die Eltern wollten es schwarz auf weiß haben, vor allem vor dem Übertritt. Deswegen gibt es seit drei Jahren zusätzlich eine schriftliche Leistungsbewertung. Wortgutachten heißt so etwas hierzulande. Auch damit sind die Eltern nicht zufrieden und rufen nach den guten alten Ziffernnoten.

Diejenigen, die es schon immer gesagt haben, werden sich nun bestätigt fühlen. Und beim Blick auf bayerische Wortgutachten versteht man die Eltern ja sogar. Oder wüssten Sie etwa, was Ihnen der folgende Satz mitteilen will: "Er erfasste die räumlichen Beziehungen von Gegenständen zueinander nur mit Hilfestellung. Mengen im erarbeiteten Zahlenraum strukturierte er sicher und löste Aufgabenstellungen rasch und zunehmend ohne Veranschaulichung. Verdoppelungen merkte er sich korrekt und leitete Nachbaraufgaben daraus ab. Bildern und Geschichten entnahm er mathematische Informationen, fand zu gegebenen Fragestellungen entsprechende Gleichungen und dazugehörige Antworten."

Und ob die Liechtensteiner wirklich so viel anders formulieren ...

18 Dezember, 2006

Kruzifix!

In fast allen bayerischen Volkschulen hängt ein Kreuz über der Tür oder über der Tafel, mal mit und mal ohne toten Jesus. Normalerweise stört das niemanden, aber gelegentlich gibt es doch Eltern, die ihrem Kind den Anblick des Gekreuzigten ersparen möchten. In einem Land, das Schulkindern den Anblick von Kopftüchern auf Lehrerinnenköpfen erspart, weil diese auf eine fremdartige Religion hinweisen, wird man dafür Verständnis erwarten dürfen. Das hat die Kommentatorin der sonst doch eher linksliberalen Süddeutschen aber nicht. Sie schreibt: "Ärgerlich aber ist, dass eine winzige Minderheit nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995, das als 'Kruzifix-Urteil' Berühmtheit erlangte, der Mehrheit ihren Willen aufzwingen kann." (Auf den Beitrag lässt sich nicht verlinken, die SZ-online ist kostenpflichtig.)

Tja nun, so ist das halt mit dem Grundrecht auf freie Religionsausübung. Niemand darf gezwungen werden, sich einem Anblick auszusetzen, der seine religiösen Empfindungen verletzt. Das gilt selbstverständlich auch für jeden Einzelnen. Im weithin katholischen Bayern ist das wohl nicht leicht zu schlucken.

14 Dezember, 2006

Die heimlichen fünf Prozent

Jedes Jahr kurz vor Weihnachten informiert das Kultusministerium die Eltern der Viertklässler über die Schulformen in Bayern. Abgesehen davon, dass das viel zu spät ist, denn spätestens in der zweiten Klasse weiß jedes Kind, ob es nach der Vierten auf die Realschule oder aufs Gymnasium geht - die Übersicht über die bayerische Schullandschaft ist geschönt: Sie unterschlägt eine ganze Schulform. Immerhin fünf Prozent aller bayerischen Schüler besuchen die Förderschule. Nicht freiwillig, meinen Sie? Das ist bei der Hauptschule nicht anders, und doch gilt sie als Alternative.

Kultusminister Schneider ist so stolz auf seine "begabungsgerechten" Schulen! Schämt er sich etwa der Förderschule?

06 Dezember, 2006

Becksteins Klassenkampf

Der Amokläufer von Emsdetten hat Counterstrike gespielt? Eine Steilvorlage für den bayerischen Innenminister Beckstein. Er krempelt sofort die Ärmel hoch und will Killerspiele verbieten. Und nicht nur das. Wer sie herstellt, verkauft oder bezieht - also nutzt - soll ins Kittchen. Genial! Da macht Beckstein gleich noch Schulpolitik: Die vollen Klassen in der Sekundarstufe sind auf einen Schlag halb leer, wenn Counterstrike- und Warcraftspieler für zwölf Monate umziehen müssen.
Schneider aber ist fein raus und spart mindestens 300 Lehrerstellen.

Zu diskutieren ist noch, ob analog zur "Schule für Kranke" die "Schule für Häftlinge" eingeführt wird.