30 November, 2005

Strukturprobleme

Da fragt ein bayerischer Umweltminister, dem in seinem Regierungsbezirk die Schüler abhanden kommen, die Kabinetts-
kollegen, ob man denn nicht einfach Haupt- und Realschule zusammenlegen könne. Dann bliebe die Schule am Ort und die Kinder müssten nicht stundenlang im Bus sitzen. Klingt vernünftig, aber nicht für alle. Der Protest der Realschullehrer war so heftig, dass die CSU eilends versicherte: Eine Schulstrukturdebatte ist völlig überflüssig.

Recht hat Waschler. Nach R6 und G8, nach dem neuen Weg zum Abi und nachdem alle Teilhauptschulen geschlossen sind, ist dem allerletzten Zweifler klar: Die Schulstruktur ändern sie hierzulande ohne jeglich Debatte.

16 November, 2005

Lob von oben

Der bayerische Kultusminister gatuliert den Eltern zu ihren erfolgreichen PISA-Kindern. Das ist schön, und ich fühle mich rehabilitiert, war meine seinerzeitige Pressemitteilung der Presse doch nur ein hämisches "die Eltern schreiben sich den PISA-Erfolg auf die Fahnen" wert.

Nun sehen wir das entspannt, drucken uns des Ministers lobende Worte aus und nehmen sie mit zum nächsten Elternsprechtag. Falls irgend ein Lehrer noch nicht weiß, wie toll seine Schüler sind.

15 November, 2005

Effektiver Unterricht

Die bayerischen Gymnasiallehrer haben 14.000 Unterrichts-
stunden mit dem Einsammeln des Büchergelds zugebracht, sagt der Philologenverband. 14.000 Unterrichtsstunden, verteilt auf 350.000 Gymnasiasten, das ergibt für jeden Schüler etwa 1,8 Minuten.

Fast zwei Minuten für das Überreichen eines Briefumschlags? Dann sind acht Jahre Gymnasium wirklich zu kurz.

14 November, 2005

Fachleute für Erziehung

Diese Bayern! Immer wieder sind sie für Überraschungen gut. Möchten Sie Lehrer werden, wissen aber nicht so recht, ob Ihnen der Job auch gefällt? Dann studieren Sie am besten in Bayern fürs Lehramt an Realschulen und machen gleichzeitig den "Bachelor of Education". Damit sind Sie beruflich nicht mehr auf die Schule festgelegt, schreibt Prof. Dr. Waschler, der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bayerischen Landtag.

Wer etwas von Erziehung versteht, darf also außerhalb der Schule arbeiten, die anderen werden Lehrer. Ob Waschler das tatsächlich so gemeint hat?

05 November, 2005

Dialektisches

Warum schneiden die bayerischen Schüler bei der Pisaergänzungsstudie von 2003 so viel besser ab als der Rest der Republik? Ganz klar: In Bayern spricht man noch Dialekt, und Dialekt macht schlau. Warum gehen in Bayern weniger Landkinder aufs Gymnasium als Stadtkinder? Ganz klar: weil die Landkinder Dialekt sprechen, und ohne Dialekt kommt man leichter zum Abi.

Also sitzen in Bayern die richtig Schlauen jedenfalls nicht in der Kollegstufe. Jo mei ...

04 November, 2005

Endlich allein

Es lebe die große Koalititon! Nun sind wir Bayern bald das, was wir schon immer sein wollten: ganz allein für Schule und Uni zustän-
dig. Bildung ist künftig Ländersache.

Die nationalen Bildungsstandards fanden wir ja noch ganz amüsant, auch wenn wir mit der eigenen Qualitätsagentur längst weiter waren. Das IZBB-Geld vom Bund haben wir erst genommen, als klar war, dass wir es nicht in echte Ganztagsschulen stecken müssen. Nun ist das G8 fertig, mehr Geld gibt es sowieso nicht, und jetzt machen wir die bildungspolitischen Schotten dicht.

Die Schulkinder, die aus anderen Bundesländern zu uns kommen, sollen sich nicht so haben, wenn sie ein oder zwei Ehrenrunden drehen. Die paar Schuljahre werden sie ja wohl noch investieren können, um hier Anschluss zu bekommen. Dafür winkt ihnen schließlich ein bayerisches Abitur.

03 November, 2005

Bayerische Freiheit

Eltern sind doch besser als ihr Ruf. Zumindest die bayerischen. Bisher warf man ihnen vor, sie versuchten ihre Kinder mit allen Tricks aufs Gymnasium zu bringen. Dafür sei ihnen kein Nachhifeunterricht zu teuer. Und weil hierzulande die Deutsch- und Mathenoten über die künftige Schule entscheiden, erfänden sie notfalls Legasthenie und Rechenschwäche, um den Gymnasiallehrern auch noch das dümmste Kind unterzujubeln. Für Versetzungsnoten zögen sie vor Gericht, und den tieferen Sinn des Sitzenbleibens hätten sie ohnehin nie begriffen.

Doch nun ist alles ganz anders. PISA behauptet, Bayern habe zu wenige Gymnasiasten. Nur - wer will denn überhaupt aufs Gymnasium? "Wir wissen, dass 60 Prozent der Realschüler aufgrund ihrer Noten und Fähigkeiten die Chance hätten, auf das Gymnasium zu gehen. Ihre Eltern entscheiden aber anders", sagte Kultusminister Schneider in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Da kann man nichts machen. Das ist freier Elternwille auf Bairisch.

02 November, 2005

PISA 2003 E

Das Papier ist noch nicht einmal offiziell daußen, und schon zeigt sich: Diesmal ist keiner so richtig zufrieden. Noch im Sommer, als die Kürzestfassung der PISA-Ergänzungsstudie auf den Markt kam, strahlte der bayerische Kultusminister Schneider und sah seine Schulpolitik aufs Trefflichste bestätigt. Auch jetzt hegt er nicht den geringsten Zweifel an der Studie, selbst wenn ihm der ausgestreckte Finger, mit dem die Welt oder wenigstens die GEW auf Bayern und sein ungerechtes Bildungssystem zeigt, weniger gut gefallen dürfte. Er ist klug genug, die Kastanien vom Philologenverband aus dem Feuer holen zu lassen.

Dieser erklärt ausführlich, warum die PISA-Studie missinterpretiert, wer von eklatanter Chancenungleichheit gerade in Bayern spricht. Kurz gefasst: Es ist völlig in Ordnung, wenn die Kinder aus bildungsfernen Familien in der Hauptschule sind, denn dort lernen sie immer noch mehr als in anderen Bundesländern die Realschüler. Nur dass sie auch mit einem guten Hauptschulabschluss kaum Aussicht auf eine Lehrstelle haben, doch das verschweigt Philologenchef Meidinger schamhaft. Wer wollte es den Eltern da verübeln, dass sie alles versuchen, ihr Kind aufs Gymnasium zu bringen? Einfach ist das in Bayern nicht, wie zwei Beiträge in der taz vom 2. November zeigen: Mütter als Hauslehrerinnen und Erfolg in Bayern.

Wie gut, dass wenigstens die Lehrer den Verzagten Mut machen. Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands Josef Kraus sagte der Zeitung Die Welt: "Es gibt in Deutschland keine sozialen Barrieren am Gymnasium. Wer das entsprechende Leistungsvermögen und die entsprechende Lernbereitschaft mitbringt, kann das Abitur machen, egal aus welcher Familie er kommt. Man muß es eben nur wollen."

Das hat auch schon manchen Arbeitslosen nach der 75. Absage getröstet: Wer wirklich will, findet einen Job - er muss es eben nur wollen.