30 Oktober, 2005

Das Zweiwege-Abitur

Alle bayerischen Wege führen zur Uni. Egal, ob der Viertklässler künftig mit einem Notendurchschnitt von 1,0 direkt durchstartet oder mit 3,8 den Umweg über die Hauptschule nimmt: Am oberen Ende wartet immer das Abitur. Und ob der Schüler es am neuen Berufsgymnasium oder am G8 macht, ist allenfalls für den Philologenverband ein Thema.

Die OECD wirft Bayern vor, dass es die Kinder viel zu früh auseinandersortiert und zu wenige Abiturienten hat. Das ist Schnee von gestern. Der bayerische Kultusminister Siegfried Schneider hat eben die neue Schullaufbahn vorgestellt, auf der nach der zehnten Klasse zwei Wege zum Abitur führen: übers normale Gymnasium in zwei Jahren, übers Berufsgymnasium in drei. Die Opposition applaudierte sofort, hat sie die Berufsgymnasien doch längst in ihrem bildungspolitischen Papier stehen.

Ob der Übertrittsdruck wirklich aus den Grundschulen verschwin-
det, wie Schneider zuversichtlich verkündet? Wirkungsvoller und noch dazu völlig kostenlos hätte er ja auch den Elternwillen beim Übertritt frei geben können. Das gegliederte System in Bayern ist nun jedenfalls für alle Zeiten zementiert. Die Realschulen werden sich damit abfinden müssen, dass man sie in ein paar Jahren mit den Hauptschulen in einen Topf wirft, auf dem der Deckel "Berufs-Abi" liegt. Und das Gymnasium bleibt das Gymnasium bleibt das Gymnasium ...

(Zum Abi über die FOS13 siehe 1300 Meter Hürden)

28 Oktober, 2005

Noli me tangere

Der Bayerische Elternverband hat gemeinsam mit der Initiative Praktisches Lernen einen Preis verliehen. Die Landesschülervertretung bekam ihn für 21 Jahre Kampf um eine demokratische Schülervertretung. Ist doch prima, denken Sie, und gönnen das den Schülern.

Aber so einfach ist die Sache nicht. Der Bayerische Elternverband hätte den Preis gar nicht verleihen dürfen, sagt die Vereinigung der Gymnasialeltern. In der Landeschülervertretung sind schließlich lauter Gymnasiasten, und die darf nicht jeder auszeichnen. Muss der BEV den Schülern den Preis nun wieder wegnehmen?

Die Leute vom BEV lernen jedenfalls dazu. Künftig lassen sie sich das Schulabschlusszeugnis zeigen, bevor sie jemanden grüßen. Könnte ja einer mit Abitur sein, und wer weiß, ob ein BEVler den so einfach ansprechen darf ...

17 Oktober, 2005

Sozialmathematik

Kultusminister Schneider ist begeistert. Der Vorbericht des PISA-Ländervergleichs 2003 bescheinigt den Landeskindern hervorragende mathematische Kompetenz, auch denen aus sozial schwächeren Schichten. Das kommt vom Training. In bayerischen Schulen ist man schließlich von klein auf gewohnt, mit allem zu rechnen. Auch damit, dass die großartigste mathematische Kompetenz nicht viel nützt, wenn man in der falschen Familie aufwächst. Abitur machen dann halt doch nur wieder diejenigen, die aus dem richtigen Stall kommen.

15 Oktober, 2005

Staatliche Sprachkunst

Sie müssen eigens einen Werbetexter eingestellt haben. Anders sind die Sprachblüten in bayerischen Gesetzen und Verordnungen nicht zu erklären.

Als das bis dahin spielerisch und notenfrei unterrichtete Englisch in der Grundschule zu einem Fach mit Leistungsbewertung wurde, schrieb das Kultusministerium den Kindern nicht etwa vor, was sie künftig alles lernen müssen. Ganz im neuen Werbestil sprach es von einer "Konkretisierung des Lehrplans".
Als die Elternproteste gegen den Nachmittagsunterricht im G8 nicht nachließen, strich der Kultusminister zwei der Stunden, in denen der Stoff des weggekürzten 13. Schuljahres hätte unterrichtet werden sollen, und nannte das eine "Straffung der Stundentafel". Frisch gestrafft werden die Schüler diesen Stoff nun allein zu Hause büffeln müssen.
Und als der Landtag die Lernmittelfreiheit endgültig kippte und den Eltern in die Tasche griff, "verbreiterte er die Finanzierungsbasis für Schulbücher" und bezeichnete seine Beute fröhlich als "Eigenanteil der Eltern an der Lernmittelfreiheit".

Sorry, aber vera... können wir uns selber.

07 Oktober, 2005

Abgestimmt

Wer mehr Kinder will, muss die Eltern pflegen. So viel ist jedem Politiker klar, das Wort "Eltern" findet sich in den meisten Sonntagsreden. Und wer gute Schule machen will, muss die Eltern einbeziehen. So viel zur Theorie. Die geht Schulleitern und Lehrern inzwischen einigermaßen glatt von den Lippen.

In der Praxis hätten die Lehrer es allerdings lieber, wenn die Eltern sich nicht dauernd einmischen würden, und schon gar nicht in etwas, das ihre Kompetenz weit überschreitet. Also eigentlich alles, was mit Schule zu tun hat, außer Kuchenbacken und beim Schulfest die Grillzange bewegen. Beispiel gefällig? Als Bayern Büchergeld einführte, konnten die Elternverbände dem Gesetzgeber ein winziges Zugeständnis abringen: Wenn Eltern schon für die Schulbücher zahlen müssen, dann sollte der Elternbeirat beim Bücherkauf wenigstens mitreden dürfen. Das erfahrene Kultusministerium, das den Protest aus den Schulen wohl ahnte, formulierte dieses vage Mitspracherecht als Abstimmung mit dem Lernmittelausschuss der Schule, nicht etwa als echte Mitbestimmung.

Doch selbst das ist den Schulen zu viel der Einmischung. Die Eltern verstehen doch gar nichts von Schulbüchern, formulieren sie euphemistisch. Gemeint ist: Haltet euch da bloß raus, ihr lästigen Querschießer! Elternbeiräte verstehen zwar vielleicht nichts von Schulbüchern, aber dafür etwas vom Portmonee der Eltern. Sie wissen, dass Eltern nicht gern für Bücher bezahlen, die gekauft, aber niemals benutzt werden. Und erst recht nicht noch einmal extra für Kopien, die die ungenutzten Bücher ersetzen sollen.

Der Schulreferent einer bayerischen Großstadt schreibt uns dennoch ohne das geringste schlechte Gewissen: "Die Schulen entscheiden selbst, ob sie sich mit den Elternbeiräten abstimmen wollen oder nicht." Na bravo! Wozu machen die da oben denn dann eigentlich noch Gesetze?