27 Februar, 2007

Euphemismus gesucht

Bundesweiter Protest gegen Bischof Mixas Wort von den Müttern als Gebärmaschinen, sollten diese ihr Kind einer Kinderkrippe anvertrauen. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken protestiert.

Beim Bayerischen Rundfunk kann man nachlesen, wie die oberste bayerische Katholikin denkt: "Die katholischen Laien in Bayern hingegen haben sich hinter Bischof Mixa gestellt. Die stellvertretende Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Gisela Häfele, sagte, sie stimme Mixa zu, wenngleich sie nicht der Meinung sei, 'dass es so drastisch formuliert gehört'."

Das könnte man ja ignorieren, wenn die erwähnte Gisela Häfele nicht gleichzeitig als Vertreterin der bayerischen Eltern in allen möglichen schulpolitischen Gremien säße, wo sie ihre Meinung nachdrücklich vertritt. Leider gänzlich ohne Rückfrage bei ihrer Basis. Und daran würde auch ein anderes Wort statt der "Gebärmaschinen" nichts ändern.

20 Februar, 2007

Tchibo für gute Noten

Seit Jahren versuchen Verlage, in Deutschland die Deutungshoheit zu gewinnen. Klett bereitet Bildungsthemen so mundgerecht vor, dass Journalisten die Texte des Schulbuchverlags gleich in ihr Redaktionssystem kopieren können. Zu Bertelsmannschen Bildungskongressen pilgert längst alles, was Rang und Namen hat. Ganz abgesehen davon, dass die selbstverständlich unabhängige Bertelsmannstiftung Schulen gleich einen ganzen Werkzeugkasten anbietet. Und die FAZ rettet, wenn auch letztlich erfolglos, die deutsche Rechtschreibung.

Handel und Finanzwirtschaft sind da schon ein Stück weiter. Aldi und die Norisbank haben sich einfach Hörsäle an der Uni gekauft. Doch nun ist die Bildung endlich da angekommen, wo sie hingehört: bei Tchibo. Jetzt wird auch Lieschen Müller erreicht, die ja weder die Bildungsseiten der FAZ liest liest noch Kongresse besucht. Sie kauft ihr Pfund Kaffee und bucht gleich dazu den Nachhilfeunterricht fürs Kind.

Wenn das nicht volksnah ist!

11 Februar, 2007

Bayern - aber ehrlich!

Wie schön, dass der bayerische Staat zu einer Wertekampagne ausholt, beschlossen vom Kabinett und ausgetüftelt vom Kultusministerium. Da sollen die Schüler endlich wieder lernen, dass der Mensch höflich, aufrichtig und zuverlässig sein soll. Weil Lernen immer am besten am Vorbild funktioniert, habe ich dem werteschaffenden Ministerium aufs pressesprecherische Maul geschaut.

Stolz verweist das KM auf die neue Kampagne KESS, mit der u.a. Eltern zu besseren Hilfslehrern qualifiziert werden sollen. Die Elternverbände haben am Konzept mitgefeilt. Das behauptet jedenfalls das KM - vielleicht, damit der Widerstand der Lehrerverbände gegen ihre pädagogische Konkurrenz nicht zu heftig ausfällt. Merkwürdig, dass kein Elternverband etwas vom gemeinsamen Feilen weiß.

Im Dezember 2006 beschließt das Kabinett auf Drängen von BEV, BLLV und vbw, mehr Ganztagsschulen einzurichten. Die Schulen können sich bis Anfang Februar 2007 bewerben, wie dem Schreiben des KM an die Bezirksregierungen zu entnehmen ist. Als die Landtags-SPD moniert, dass diese Frist viel zu kurz sei, merkt das KM, dass es sich terminlich vergaloppiert hat und verschiebt die Deadline auf Anfang April. Die Pressemitteilung dazu hat wohl weniger die SPD ins Grübeln gebracht, die aus politischen Diskursen Einiges gewöhnt ist. Wohl aber Eltern, deren Kinder in bayerischen Schulen zur Aufrichtigkeit erzogen werden sollen.

Nun liest man, dass im KM die Elternrechte überarbeitet wurden, mit Unterstützung von Elternvertretern. Zumindest der BEV - immerhin größter bayerischer Elternverband - weiß von dieser Arbeitsgruppe nichts. Wir dürfen gespannt sein, wie Schneiders Sprecher das erläutern wird, wertetechnisch gesehen.

03 Februar, 2007

Schwarze Pädagogik

Erziehen durch Bloßstellen, das ist Pädagogik aus dem 19. Jahrhundert. "Die Lehrkraft kann nicht vermeiden, dass negative Bewertungen eines Schülers oder Kritik an seinem Verhalten den Mitschülern und über diese den Erziehungsberechtigten anderer Schüler bekannt werden. Es ist nicht verboten, die Ergebnisse einer Probearbeit in der Klasse bekannt zu geben. Dies darf aber nicht in einer Weise geschehen, die die Schüler in ihrer Würde und Selbstachtung herabsetzt. Vielmehr sollen dadurch die schwächeren Schüler angestachelt werden, den Anschluss an die besseren anzustreben."

Das Zitat stammt nicht aus dem 19. Jahrhundert, sondern aus dem Kommentar zu Artikel 85 (Weitergabe von Daten) des bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz in der Fassung vom November 2006. Hätte der bayerische Datenschutzbeauaftragte nicht öffentlich darauf hingewiesen, dass Noten zur Privatsphäre gehören und daher schutzwürdig sind, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, ins Schulrecht zu sehen. Und hätte mir einen Schock erspart. Wir hätten dann allerdings auch auf das Streiflicht in der Süddeutschen Zeitung vom 3.2.07 verzichten müssen, das so beginnt:

"Sofern die Erinnerung nicht trügt, braucht die Schule in ihrer Funktion als sado-masochistische Anstalt keinen Vergleich zu scheuen. Nicht, dass es seinerzeit Prügelstrafen gesetzt hätte, beileibe nicht, denn es handelte sich um ein gutbürgerliches Gymnasium, dessen Lehrkörper über weitaus subtilere Foltermethoden verfügte, die nicht die kleinste sichtbare Wunde hinterließen. Doch frage niemand, wie es seitdem in der Seele der Geschundenen aussieht. Noch heute erwachen sie schweißgebadet aus Albträumen, in denen sie wieder vorne an der Schultafel stehen, im Nacken den Herrn Oberstudienrat, der sein Opfer in einem gnadenlosen Kreuzverhör in Sachen Infinitesimalrechnung als hoffnungslosen Idioten entlarvt. Und in das Schweigen, das auf jede Frage des Lehrers erfolgt, in die stumme Verzweiflung mischt sich das Gelächter der Mitschüler. Es ist, als würde man vor den Augen aller auf glühendem Rost gegrillt.
Nicht weniger fürchterlich sind die Träume, die die Rückgabe von Extemporalen und Schulaufgaben ins Gedächtnis rufen. Darin spielen jene Pädagogen die Hauptrolle, die in der Verbreitung kollektiven Grauens ein besonderes Talent entfalten. ... "

Wahrscheinlich würden die bayerischen Pädagogen allesamt vor Schreck auf den Rücken fallen, verlangte man von ihnen, was Kurt Singer schon vor 30 Jahren tat: Schüler nur aufrufen, wenn sie sich freiwillig dazu melden. Singers - vergiffenes - Buch "Die Würde des Schülers ist antastbar" ist aktuell wie eh und je. Leider.