20 Juli, 2013

Durchlässigkeit hat Folgen

Es gibt kaum eine Pressemitteilung des bayerischen Kultusministeriums, in der der Minister nicht das hohe Lied der Durchlässigkeit seines Schulwesens sänge. Gerade erst hat er wieder den Weg über die berufliche Bildung zum Abitur gelobt. Auch wenn das Ministerium bei den Zahlen gern mal ein bisschen schummelt: Auch 40 Prozent außerhalb des Gymnasiums erworbene Hochschulzugangsberechtigungen wären noch beachtlich.

Wie geht das eigentlich? Zum Beispiel so: 1. bis 4. Klasse Grundschule, 5. und 6. Klasse Gymnasium, 7. bis 10. Klasse Realschule, 11. bis 13. Klasse Fachoberschule. Manche Schüler absolvieren auch noch ein paar Jahre an der Mittelschule oder an der Wirtschaftsschule und ein Übergangsjahr zwischen zwei Schulformen. Ein wesentlicher Beitrag zur Durchlässigkeit ist zudem das Sitzenbleiben. Zweimal darf man, hier ist Bayern Spitze.

Ein Schüler muss sich auf diesem Weg bis zum Abitur also leicht in sieben verschiedene Klassengemeinschaften integrieren. Manchen gelingt das. Sie haben viele Freunde. Aber wie sollen sie es bloß später auf die Reihe kriegen, jedes Jahr an sieben Klassentreffen teilzunehmen?

06 Juli, 2013

Weihnachten bleibt

Weihnachten wird in Bayern weiterhin am 25. und 26. Dezember gefeiert. Eine Petition, die vor dem Verschieben der Feiertage warnte, hat der Bildungsausschuss des Landtags aufgrund einer Stellungnahme der bayerischen Staatsregierung für erledigt erklärt. Die Petentin hatte gefordert, das Fest auf keinen Fall zu verlegen und künftig an den beiden traditionellen Tagen besonders nachdrücklich Weihnachten zu feiern. Den Regierungsparteien erschien der Status quo ausreichend. Wie in Bayern üblich, waren Grüne und  SPD dagegen. Sie wollten die Petition ablehnen, wurden aber überstimmt.

Na gut, das war jetzt gelogen. Die Petition, über die der Bildungsausschuss am 4. Juli zu befinden hatte, handelte nicht von Weihnachten. Sie handelte von etwas gleichermaßen Unverrückbarem: dem „bewährten differenzierten Schulwesen in Bayern“. Das wollte die Petition für alle Zeiten retten, wurde aber für erledigt erklärt. Verständlich: Da gibt es nichts zu retten.


22 Juni, 2013

Starke Eltern

Ohne Eltern funktioniert die Schule nicht, da sind sich alle einig. Mit Eltern aber auch nicht, wie Elternvertreter nur zu gut wissen. Wenn sie wieder einmal seufzend die Steine wegräumen, die Politik und Verwaltung ihnen in den Weg gelegt haben, dürfen sie sich an einer neuen Strategie des bayerischen Kultusministeriums erfreuen. Die trägt alle Merkmale echter Innovation.

Bernd Sibler, Staatssekretär im Kultusministerium, verkündete bei einer Bildungsveranstaltung in Nürnberg: "Im Schulforum werden die Eltern gestärkt." Das klingt harmlos - und hat es in sich. Bisher sitzen im Schulforum drei Schüler, drei Eltern, zwei Lehrer und der Schulleiter. Die Eltern haben also 33,3 Prozent der Stimmen. Künftig sind es der Schulleiter, drei Lehrer, drei Schüler, drei Eltern und ein Vertreter der Kommune. Die Eltern haben dann nur noch 27,3 Prozent. Und sind nach Sibler trotzdem stärker als zuvor.

Der Trick ist reine Psychologie: Wer nicht da ist, hat Macht. Die Macht des Unsichtbaren und damit Unberechenbaren. So ist das zum Beispiel mit dem lieben Gott. Und so erklärt es sich auch, dass der Hausmeister der mächtigste Mann an der Schule ist: Er saß noch nie im Schulforum.

08 Mai, 2013

Wo bleibt die Elite?

Immer mehr Kinder gehen aufs Gymnasium. Ist die Elite in Gefahr? Die Lernforscherin Elsbeth Stern von der ETH Zürich und der bayerische Philologe Josef Kraus sind überzeugt, dass viele Schüler am Gymnasium falsch sind.

Elsbeth Stern vermisst bei den meisten Gymnasiasten die nötige Intelligenz, wie sie dem Spiegel in einem Interview erklärte: "Das Gymnasium als Massenschule hat folgenden Nachteil: Die meisten Gymnasiasten sind nur mittelmäßig begabt und intellektuell nicht ganz auf der Höhe. Das ergibt sich zwangsläufig aus der Normalverteilung der Intelligenz.", heißt es dort. Die Lösung? Alle Kinder gemeinsam unterrichten, mindestens bis sie 15 sind. Dann kristallisieren sich die künftigen Wissenschaftler von selbst heraus.

Anders Josef Kraus, der nicht nur ein Gymnasium in Niederbayern leitet, sondern als Präsident des Deutschen Lehrerverbands seit zwei Jahrzehnten den Medien praktisch im Alleingang knackige Lehrermeinungen zur Bildung liefert. Was er kürzlich der katholischen Tagespost sagte, muss beunruhigen. Nun hat auch Kraus erkannt, was zu erkennen bisher nur dem Verband der bayerischen Realschullehrer vergönnt war: eine linke Verschwörung von Medien und Bildungswissenschaftlern, die Bertelsmannstiftung und die OECD nicht zu vergessen, der es einzig um eines geht: dasGymnasium abzuschaffen. Indem sie es demokratisiert.

30 April, 2013

Der Seismograph

Eines muss man Hubert Aiwanger lassen: Auch wenn er von Bildung vermutlich noch weniger versteht als die Bildungsspezialisten seiner Partei, ist er ein Seismograph für die Stimmung im Wählervolk. Im Mai starten die Freien Wähler in Bayern  ihr Volksbegehren zur Wahl zwischen G8 und G9.

Die SPD will sich neutral verhalten. Die Grünen sind gegen die Rolle rückwärts, die großen Elternverbände ebenfalls, Kultusminister Spaenle sowieso. Dennoch wird Aiwanger Stimmen holen, denn er erreicht vor allem die Besitzstandswahrer. Wenn das Gymnasium wieder um 13 Uhr ende - was es auch zu G9-Zeiten in höheren Klassen nie tat -,  würden die Jugendlichen wieder in den Sportverein und in die Musikschule strömen. Die unterschwellige Botschaft: Niemand braucht sich ein neues Konzept auszudenken, schon gar nicht ein grundsätzliches für das G8.

Ein Treppenwitz der Weltgeschichte ist, dass in Aiwangers G9 dasselbe gelernt werden soll wie heute im G8. Als Stoiber 2003 das G8 einführte, hatte das Kultusministerium längst ein Konzept für ein neues G9 geschrieben. Nach diesem Konzept bastelte man seinerzeit: das G8.

20 April, 2013

Der Sofakritiker

Deutsche Schulen sind schlecht. Das schreibt der Populärphilosoph Richard David Precht in seinem jüngsten Buch, welches er in der ZEIT vorstellt. Er weiß, was man tun müsste: Noten abschaffen, den Lehrplan am besten gleich mit, auf jeden Fall aber die herkömmlichen Jahrgangsklassen und die hässlichen Schulgebäude.  Der Lehrer wird zum Lernbegleiter, und alle gehen in eine Gemeinschaftsschule, ganztags und in Schuluniform.

Ties Rabe, Bildungssenator in Hamburg, sieht das anders. Er weiß aus leidvoller Erfahrung mit der Hamburger Primarschule, dass deutsche Eltern sich das Gymnasium nicht wegnehmen lassen. Er ist sicher: Eltern wollen Zensuren und Kinder brauchen keinen Lernbegleiter, sondern einen Lehrer, der ihnen sagt, wo es langgeht. Und Schulleiter haben anderes zu tun, als nebenbei die Schule neu zu erfinden.
 
Ein bisschen recht haben sicherlich beide. Doch Prechts Thesen verkaufen sich besser. Als Buch.

06 April, 2013

Sortiert zum Sport

Muslime wollen getrennten Sportunterricht für Jungen und Mädchen, und Peer Steinbrück findet das ganz in Ordnung. Was für eine hinterwädlerische Einstellung! Da sind sich alle einig, von der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer bis zum Redakteur der Nürnberger Nachrichten. Von Bayerns Offiziellen hat man derweil noch nichts gelesen. Nichts aus der Staatskanzlei, nichts von der CSU-Fraktion und nichts aus dem Innenministerium. Dabei sind sie doch sonst immer so schnell, wenn es darum geht, "Islamisten" in die Pfanne zu hauen. Und den SPD-Kanzlerkandidaten sowieso.

Selbst das Kultusministerium, immerhin zuständig für den Sportunterricht, schweigt. Warum? Tja, das ist fast ein wenig peinlich: In Bayern wird Sport von der fünften Klasse an nach Geschlechtern getrennt unterrichtet, nachzulesen in den Lehrplänen für Realschule (S. 81) und Gymnasium (Ziele und Inhalte). Und Mädchen lernen etwas anderes als Jungs.

Ergriffen liest man im Sport-Lehrplan der 8. Klasse Mittelschule, S. 295: "Gymnastik mit Handgeräten: einfache technische Fertigkeiten mit dem Band und Reifen erlernen und einfache Kombinationen nach Musik mit einem Handgerät darstellen. Nur Mädchen."

20 Februar, 2013

Zeugnislyrik

Das bayerische Kultusministerium bereitet Eltern und Kinder behutsam auf das Zwischenzeugnis am kommenden Freitag vor. Das liest sich, in Auszügen, so:

"Auch wenig erfreuliche Bewertungen sind kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken oder aufzugeben", so der Kultusminister. Es sei wichtig, nach den Ursachen zu suchen und den Schülerinnen und Schülern die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie benötigen. ...  "Die Durchlässigkeit im bayerischen Bildungssystem eröffnet den jungen Menschen vielfältige Möglichkeiten, den Schulweg zu finden, der ihren Interessen und Begabungen am besten entspricht. Jedes Talent ist uns wichtig", betont Spaenle.

Das Blablameter berechnet für die gesamte Pressemitteilung den Bullshit-Index 0,5 und erläutert diesen Wert so:  "Ihr Text signalisiert deutlich: Sie wollen etwas verkaufen oder jemanden tief beeindrucken. Es wirkt unwahrscheinlich, dass damit auch eine klare Aussage verbunden ist - und wenn ja: wer soll das verstehen?"
Genau.

Locker bleiben!

Die bayerische SPD stellt dem Kultusminister ein Zwischenzeugnis aus, mit dem dieser vermutlich sitzen bleiben würde. Man braucht das nicht lustig zu finden, aber man könnte. Was tut der Minister? Er lässt antworten:

"Mit seiner Karikatur eines Zeugnisses über die Arbeit des Bayerischen Kultusministers macht SPD-Landtagsabgeordneter Martin Güll sich zumindest indirekt über die Leistungen der bayerischen Schülerinnen und Schüler lustig und er zieht die Zeugnisse damit ins Lächerliche. Eine Pressemitteilung zum Zwischenzeugnis mit einer Bewertung eines Ministers zu kombinieren, mag auf den ersten Blick für einen Oppositionspolitiker zwar amüsant sein, zeigt aber, wie gering Herr Güll offensichtlich die Schülerleistungen deutet. Denn Zeugnisse sind ernst zu nehmende Beschreibungen der Leistungen von Schülerinnen und Schüler, mit denen man - jedenfalls außerhalb der Faschingszeit - als Abgeordneter nicht scherzen sollte."

07 Februar, 2013

Bayerns Eltern weltweit

Das bayerische Kultusministerium hat einige hübsch illustrierte Broschüren für Elternvertreter herausgegeben. Dem Bundeselternrat, der die Broschüren an seinem Stand auf der Didacta auslegen wollte, konnte es keine zur Verfügung stellen. Sie sind nur noch online zu haben. Der Grund: "Eine Delegation aus dem Ausland hat kürzlich sämtliche gedruckten Exemplare mitgenommen!"

Seitdem rätselt der Bayerische Elternverband, welches demokratische Land sich ausgerechnet die Elternvertretung Bayerns zum Vorbild nimmt.

10 Januar, 2013

Wer zahlt für die Bildung?

Der Bund soll bloß nicht glauben, dass er den Ländern Geld geben und dann in den Schulen mitmischen darf. "Die Verantwortung für die Bildung ist bei den Ländern in guten Händen", schreibt der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle. Aber ganz dumm ist er ja auch nicht. Geld vom Bund ist willkommen,   Einmischung nicht.

Wie macht man sowas? Ganz einfach: Man definiert neue Verpflichtungen für den Bund: "Die Länder müssen allerdings für die in den jüngsten Jahren zusätzlich übernommenen Aufgaben einen finanziellen Ausgleich erhalten. Angesichts der Verlagerung von Aufgaben der Familien auf die Schulen - gerade im Erziehungsbereich - muss der Bundestag gemeinsam mit der Länderkammer für die bundesdeutsche Gesellschaft den Ländern die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen." Und fordert die Übertragung eines zusätzlichen Umsatzsteuerpunktes vom Bund auf die Länder.

Das ist nicht verkehrt. Vorausgesetzt, Spaenle überweist dieses Geld dann direkt den bayerischen Eltern, die seit Jahren zu Hause, mit Nachhilfe und mit teuren Sommerkursen das erledigen, was die Schule nicht schafft.

31 Dezember, 2012

Nazivergleich geht immer

Sonderlich geschickt hat sich der BLLV-Vorsitzende Klaus Wenzel tatsächlich nicht nicht verhalten, als er kurz vor Weihnachten eine Pressemitteilung zur Ungerechtigkeit des bayerischen Schulsystems verschicken ließ. Ein so stark selektierendes System wie das bayerische produziere Bildungsverlierer. Schulen brauchten Reformen, die Integration statt Ausgrenzung befördern und modernes Lernen ermöglichen.  Das sei zumindest ein Weg, der dazu beitragen könne, politischen Radikalismen entgegenzuwirken.

Das ist vernünftig und bei Fachleuten unbestritten. Hätte Wenzel es nur dabei belassen! Doch er  verwies auch darauf, dass es in Bayern immer mehr rechte Gruppierungen gibt - eine Steilvorlage für alle, denen der Lehrerverbandspräsident mit seinen systemkritischen Äußerungen ein ständiger Stachel im Fleisch ist. Das Kultusministerium gab sich empört, die bayerischen Realschuleltern entsetzt: Der BLLV unterstellt dem großartigen bayerischen Schulsystem, es produziere Rechtsradikale! 

Zu dieser Interpretation neigt nun leider auch der Landesschülerrat. Er beklagt sich in seiner Pressemitteilung darüber, dass nicht nur alle Nichtgymnasiasten "gezielt als Nazis bezeichnet" würden, sondern dass zugleich das zarte Pflänzchen Mittelschule, welches endlich wieder an Ansehen gewinne, diskriminiert werde. 

17 November, 2012

Überflüssige Herdprämie

Nun kommt das Betreuungsgeld also doch, obwohl fast niemand es will. Es ist eine Schnapsidee, keine Frage. Allerdings nicht, weil es wirklich Bildung verhindert. Manche Eltern kassieren angeblich lieber das Geld, anstatt ihr Kind in eine Krippe zu schicken, wo es besser gefördert würde als zu Hause. Ein  Vorwurf, der durch nichts belegt ist, aber sehr gut zeigt, wie Bessergestellte sich nach unten abzugrenzen versuchen.

Welche Eltern sollen das denn sein, die ihr Kind wegen 100 oder 150 Euro zu Hause lassen? Hartz-IV-Bezieher, des Bildungsbürgertums liebste Verdächtige, schon mal nicht. Die erhalten kein Betreuungsgeld, egal, wie viele Kinder sie nicht in die öffentliche Krippe schicken. Und die anderen? Wer Geld verdienen muss, braucht Kinderbetreuung. 150 Euro ersetzen kein Einkommen. Die Eltern könnten immerhin arbeiten und das Kind privat betreuen lassen. Auch dann gibt es schließlich Betreuungsgeld. Das wäre dann immerhin ein Zuschuss zum Honorar für die Tagesmutter.

Die Kommunen treibt nun eine neue Befürchtung um: Ganz clevere Eltern schicken ihr Kind womöglich in die Krippe im Nachbarort und beantragen das Betreuungsgeld trotzdem. So haben sie einen Extrazuschuss zum öffentlich finanzierten Krippenplatz. Überprüfen könnte das niemand.

Die "Herdprämie" hat nichts mit Anerkennung der Erziehung in der Familie zu tun. Sie wirkt allenfalls als Stillhalteprämie - für alle, die im August 2013 klagen könnten, weil sie keinen Krippenplatz finden. Wer sein Kind ohnehin zu Hause behalten will, nimmt das Betreuungsgeld als nettes Geschenk. Und das sind genau die, die es am wenigsten brauchen.

01 November, 2012

Eine Frage der Interpretation

Die Bertelsmannstiftung hat die Durchlässigkeit des Schulsystems in Deutschland untersuchen lassen. Sie ließ vergleichen, wie viele Schüler in jedem Bundesland von einer niedrigeren in eine höhere Schulform wechseln und wie viele von oben nach unten. Die Begeisterung über das Ergebnis ist unterschiedlich.

Der bayerische Kultusminister ist stolz, denn sein Land hat sogar mehr Aufsteiger als Absteiger. Kunststück, moniert der Bayerische Elternverband: Wer durch sein rigoroses Übertrittssystem viele gute Schüler nach der Grundschule erstmal in die Hauptschule schickt, braucht sich nicht auf die Schulter zu klopfen, wenn diese sich dann doch als Realschüler oder Gymnasiasten entpuppen. Ein Blick in den bayerischen Bildungsbericht 2009 zeigt: Da hat sich zwischen 2007 und 2011 viel getan, denn 2007 wechselte in Bayern nur jeder vierte Schulformwechsler an eine höhere Schulform, meist mit Wiederholung der Klasse, 2011 war es jeder zweite.

Lehrerverbandspräsident Kraus verkündet mit sichtbarem Schaum vor dem Mund, dass die Bertelsmannstiftung tendenziöse Berichterstattung betreibe und verweist auf Zahlen des statistischen Bundesamts, die allerdings den Schulformwechsel nicht widerlegen. Der Stiftung unterstellt er Eigeninteresse, verrät aber nicht, worin dieses bestehen soll. Macht das miserable Programm privater Fernsehsender tatsächlich Hauptschüler aus Gymnasiasten? Und wenn ja: Was hätte die Stiftung davon, das anzuprangern? Aber auch dafür liefert Josef Kraus sicherlich noch eine Erklärung.

11 August, 2012

Die Marketingfalle

Bayern möchte beweisen, dass die Mittelschule, also die ehemalige Hauptschule, ein Erfolg ist. Nur dann wäre es schließlich gerechtfertigt, so verbissen an dieser Schulart festzuhalten. Pech für das Kultusministerium, dass es immer weniger Kinder gibt und dass Eltern Gymnasium und Realschule vorziehen.

Doch das bayerische Kultusministerium wäre nicht das bayerische Kultusministerium, wenn es nicht geniale Marketingexperten hätte. Die verkündeten Ende Juli eine frohe Botschaft: 14.000 Schüler mehr als erwartet werden im September die Mittelschule besuchen! Mit dem Sturm, der sich daraufhin erhob, hatten sie  nicht gerechnet. Der Bayerische Elternverband forderte zusätzliche Lehrer für die 14.000, der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband verlangte 600 neue Lehrer und Brandbriefe kamen vom Schulleiterverband und vom Schulräteverband. Eine Grundschulrektorin kündigte, weil sie unter solchen Bedingungen nicht arbeiten könne.

Das Ministerium verstand die Aufregung zunächst nicht. Die Unterrichtsversorgung war doch gesichert. Was wollten die denn alle? Viel mehr Lehrer wollten sie, denn sie ahnten nicht, dass die 14.000 womöglich bloß ein Marketingtrick waren. Im Bildungsbericht vom Dezember 2011 lag die Mittelschülerprognose für  September 2012 jedenfalls überraschend viel niedriger als noch im Jahr 2010 und in den Jahren zuvor. Deshalb konnte das Ministerium im Juli über einen Zuwachs von 14.000 Mittelschülern berichten. Und es war mächtig stolz darauf.

In den Haushalt war die niedrige Prognose nicht eingegangen. Der war längst fertig und ging von der Prognose aus dem Jahr 2010 aus. Es fehlten also keineswegs Lehrer für 14.000 zusätzliche Schüler, sondern nur für 4.300, die inzwischen offiziell als Zuwachs gelten. Das Ministerium hätte gut daran getan, die Pressemitteilung vom 26. Juli nicht zu veröffentlichen, denn nun brodelte es im Bildungsland Bayern. Der Kultusminister war gezwungen, die Notbremse zu ziehen. In aller Eile versprach er doch noch ein paar Lehrer. Im Vorwahlkampf - nächstes Jahr ist Landtagswahl - durfte man sich da keine Blöße geben.

Ob die Marketingabteilung des Ministeriums die zusätzlichen Lehrer nun selber suchen muss? Es wäre ihr zu gönnen.

04 April, 2012

Mehr Schule, mehr Geld

Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge führt jedes Jahr, das jemand in Deutschland zusätzlich in Schule, Ausbildung oder Studium investiert, zu einem um durchschnittlich fünf Prozent höheren Einkommen. Das meldet heute zum Beispiel die ZEIT.

Mehr Jahre in der Schule, mehr Geld auf dem Konto. Und wieder einmal profitieren die Bayern: Sie haben die meisten Sitzenbleiber.

09 März, 2012

Ehrenrunde zum Abi

Bayerische Gymnasiasten dürfen künftig ausnahmsweise ein "Intensivierungsjahr" machen. Wenn ihnen acht Jahre zum Abitur zu stressig erscheinen, bauen sie einfach in der Mittelstufe ein zusätzliches Schuljahr ein. Das verkündete Kultusminister Spaenle heute in München.

Mit Verlaub: Das ist Sitzenbleiben mit dem Segen des Ministeriums.

12 Februar, 2012

Lernen bei 20,5 Grad

Auf einige unerwartete Argumente gegen gegen Koedukation verweist die Neue Zürcher Zeitung:
Jungen brauchen 20,5 Grad im Klassenzimmer, Mädchen 23,8 Grad. Bei mädchenfreundlichen Temperaturen verschlafen Jungen deshalb den Unterricht. Auch der Tonfall des Lehrers spielt eine Rolle. Jungen muss er energisch anprechen, Mädchen eher ansäuseln. Und Fleiß und Höflichkeit gelten bei Jungen sowieso als uncool, weswegen diese in einer Schule, in der sie mit zielstrebigen, netten Mädchen konkurrieren müssen, zum Scheitern verurteilt sind.
Ausgedacht hat sich das der Psychologe Leonard Sax, Gründer der National Association for Single Sex Public Education.

18 November, 2011

Ganztags hinter den Kulissen

Wie gut oder schlecht das Angebot an Ganztagsschulen in Bayern ist, sehen Regierung und Opposition naturgemäß unterschiedlich. Eltern, die vezweifelt einen Ganztagsplatz suchen, sind mit ihrer Einschätzung eher auf Seiten der Opposition: Alle schönen Reden können nicht vertuschen, dass es im Freistaat mit vernünftigen Ganztagsschulen mau aussieht.
Eine taufrische Pressemitteilung aus dem Kultusministerium nährt nun den Verdacht, dass man die Lage dort ähnlich einschätzt. Wie sonst wäre die Überschrift "Unser Ziel ist die optimale und bedarfsgerechte Betreuungskulisse" zu verstehen?

Jeder Theaterbesucher weiß: Kulissen sind Teil der Dekoration. Dahinter ist nicht viel. Hauptsache, es sieht gut aus ...

21 Oktober, 2011

Abi gerettet

Die Kultusminister haben gestern Nachmittag verkündet, dass sie "die Zuordnung der Allgemeinen Hochschulreife, der Fachgebundenen Hochschulreife, der Fachhochschulreife und der Abschlüsse der gesamten beruflichen Erstausbildung unter der Maßgabe der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung" vornehmen würden.

Ein paar Stunden später war klar, was "Gleichwertigkeit" für die Minister bedeutet: Das Abitur gehört auf Stufe 5 des Deutschen Qualifikationsrahmens, eine abgeschlossene Lehre auf Stufe 4. Und nur richtig anspruchsvolle Berufe gehören ebenfalls auf Stufe 5.

Das ist ja gerade noch einmal gut gegangen. Ein paar Stunden lang hatte es doch tatsächlich so ausgesehen, als sei ein Abiturient künftig nichts Besseres als ein Bäckergeselle.

19 August, 2011

Wege zum Studium

"Das differenzierte Schulsystem stelle damit unter Beweis, dass es eine 'höhere Chancenausschöpfung' biete als eine 'Einheitsschule' oder eine 'Gesamtschule neuer Ausprägung', sagte Kultusminister Ludwig Spaenle in München." Das schreiben die Nürnberger Nachrichten und beziehen sich auf Spaenles jüngste Erfolgsmeldung: 42 Prozent der Studienberechtigungen erwerben seine Landeskinder nicht übers Gymnasium, sondern über berufliche Schulen.

Wenn einer sich verbal dermaßen abstrampelt, muss er es nötig haben. Tatsächlich ist Bayern außer Hessen das einzige Bundesland, welches treu zur Hauptschule steht. Auch wenn die nun Mittelschule heißt: Werden künftig mehr Eltern ihr Kind dorthin schicken, weil auch am Ende dieser Bildungslaufbahn das Studium winkt? Vermutlich nicht. Eltern wollen so lange wie möglich so viel Wahlfreiheit wie möglich. Mit der Studienberechtigung sieht es jedoch so aus:

Im Jahr 2009 wurden in Bayern folgende Abschlüsse gemacht (Quelle Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung):

- fachgebundene Hochschulreife (nur bestimmte Studienfächer): 1.340 an der beruflichen Oberschule (FOS/BOS)
- Fachhochschulreife (Studium nur an der FH): 15.536 an der FOS/BOS
- allgemeine Hochschulreife: 2.224 an der FOS/BOS, 32.805 am Gymnasium

Fairerweise dürften nur die beiden letzten Zahlen miteinander verglichen werden. Wenn man dann noch bedenkt, dass zwischen der 5. und der 8. Klasse fünf Prozent der Gymnasiasten die Schule wechseln (und in den folgenden fünf Jahren mindestens noch einmal so viele, eher mehr; dazu habe ich aber keine Zahlen), kann man zumindest vermuten, dass die mit dem echten Abitur über die FOS/BOS einst als gymnasialgeeignet galten. Vielleicht ist es aber auch ganz anders und das sind die ganz Zähen, die sich über Hauptschule - Wirtschaftsschule - Fachoberschule durchbeißen.



11 August, 2011

Unter der Grenze

Da ärgert sich ein ehemaliger Realschullehrer, dass er um 8:58 Uhr nicht mit dem Bayernticket in einen Zug steigen darf. Das Bayernticket gilt aber erst ab 9 Uhr. Der Mann ist empört. Wegen lumpiger zwei Minuten soll er ein normales Ticket kaufen!

Ob er seinen Schülern stets die bessere Note gegeben hat, selbst wenn sie zwei Punkte zu wenig hatten? Und was haben dann die anderen gesagt - diejenigen, denen drei Punkte fehlten?


07 August, 2011

Eltern entscheiden falsch

Der Sozialwissenschaftler Jörg Dollmann hat herausgefunden, dass Eltern weit öfter als Lehrer die falsche Schulart wählen, wenn sie beim Übertritt selbst entscheiden dürfen. Bildungsnahe Eltern schicken ihr Kind aufs Gymnasium, bildungsferne Eltern nicht - unabhängig von der Leistungsfähigkeit der Kinder.

in einer weiteren Studie hat Dollmann vor einigen Monaten belegt, dass türkische Eltern häufiger höhere Schularten wählen, auch wenn sie nicht zur Bildungsschicht gehören. Vielleicht sollte man türkische Eltern selbst entscheiden lassen, deutsche aber nur, wenn sie zur bildungsnahen Mittelschicht gehören.


30 April, 2011

Missglücktes Bildungspaket

Familien, die wenig Geld haben, traut der Staat nicht zu, verantwortungsvoll mit diesem Wenigen umzugehen. Bildungszuschüsse für die Kinder gibt es deshalb als Sachleistung. Als Bildungspaket. Der arbeitslose Vater würde andernfalls sicherlich den Zuschuss zur Nachhilfe verrauchen oder versaufen, zumal aus seinem eigenen Hartz-IV-Budget Alkohol und Tabak gestrichen wurden.

Erstaunlich ist, dass Frau von der Leyen den "sozial schwachen" Familien ganz selbstverständlich zutraut, das Bildungspaket zu beantragen. Nun sollen also genau diese desinteressierten, verantwortungslosen Eltern vom Sofa aufstehen und herausfinden, wo es Musikunterricht für 10 Euro im Monat und kostenlose Instrumente gibt, welcher Sportverein die Ausrüstung stellt, weil das Bildungspaket nur für den Vereinsbeitrag gedacht ist, und wie man es anstellt, Nachhilfe für ein Kind bezahlt zu bekommen, das nicht unmittelbar vom Sitzenbleiben bedroht ist.

Völlig absurd wird es, wenn das Schulessen, das bisher gratis war, plötzlich etwas kostet, weil die Kommune dankbar die eigene Förderung durch die staatliche ersetzt. Bei der staatlichen müssen Eltern einen Euro selbst tragen. Da passt es ins Bild, dass der Berliner FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer fordert, die Eltern zu bestrafen, die bisher keinen Antrag auf Zuschüsse aus dem Bildungspaket gestellt haben. Er hat nicht begriffen, dass das Bildungspaket keineswegs allen armen Familien nützt.

Die Frage muss erlaubt sein: Wer ist hier eigentlich sozial schwach?

01 März, 2011

Zukunftsfragen

Frage an den Bayerischen Elternverband: Was können wir tun, damit unser Kind auf keinen Fall in die Hauptschule muss? Das Kind, so versichert die Mutter, habe schließlich gebildete Eltern. Der Elternverband ist ein wenig ratlos, auch wenn gerade in Bayern das Bildungsniveau der Familie das entscheidende Kriterium für eine erfolgreiche Schulkarriere ist.

Zum Verständnis: Das Kind ist gerade in den Kindergarten gekommen.

06 Februar, 2011

Hauptsatz der Bildung

Junge Leute studieren auf Lehramt und werden dann nicht übernommen. Das ist kein Drama - sie können ja Lerntrainer im Nachhilfeinstitut werden.

"Der Bedarf für gute Lernmöglichkeiten steigt bei Schülern und Eltern, da im schulischen Unterricht ein positives Lernen nicht immer für alle Schüler erreicht wird.", formuliert das Institut recht euphemistisch in der Stellenausschreibung. Zu Deutsch: Die Schulen sind so miserabel mit Lehrern ausgestattet, dass individuelle Förderung woanders stattfinden muss. Dafür sorgen dann die verhinderten Lehrer.

Hier greift der erste Hauptsatz der Thermodynamik: Die Energie bleibt im System, auch wenn sie nicht immer so aussieht, wie man sich das vorgestellt hat.


14 November, 2010

Realschule im Grundgesetz

Das Grundgesetz räumt endlich mit der ideologischen Unordnung in der Bildungsdiskussion auf. Deutsche haben ein Recht auf Hauptschule, Realschule und Gymnasium.

Das glauben Sie nicht? Dann lesen Sie die falsche Zeitung. Im Altmühlboten - auf den man leider nicht verlinken kann - haben Leserbriefschreiber, die sicherlich nur zufällig dem Verband der bayerischen Realschullehrer angehören, klar gestellt: Wer eine längere gemeinsame Schulzeit fordert, verstößt gegen Artikel 2 des Grundgesetzes. Das Recht auf freie Entfaltung der Pesönlichkeit ist das Recht auf ein dreigliedriges Schulsystem.

Die bayerische Realschule steht damit quasi im Grundgesetz.

21 September, 2010

Bewährtes bewährt sich

Wozu ständig dem Allerneuesten hinterherhecheln? Bayerische Schulen tun das nicht. Sie fahren gut damit. Die 13.-Klässer in einem katholischen Elitegymnasium lernen anhand einer Statistik von 1988, dass Kenia ein Entwicklungsland ist, und soeben hat ein Realschüler in Nürnberg in der Ausleihliste seines Deutschbuchs freudig den Namen seines Vaters entdeckt - ein Eintrag von 1979.

Wie sprach Kultusminister Spaenle, als Bayern wieder einmal an der Spitze irgend eines Bildungsrankings stand? „Systemkonstanz ist entscheidend für gute Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler.“ Wo er recht hat, hat er recht.

16 September, 2010

Einstimmig

Damit hat Kultusminister Spaenle sicher nicht gerechnet: Der Elternbeirat einer bayerischen Hauptschule kann künftig aus einer Person bestehen. Das Schulgesetz gibt das her. Eine Mindestzahl von Mitgliedern schreibt es den Volksschulelternbeiräten nicht vor. Da Hauptschulen, die Teil eines Mittelschulverbunds sind, beliebig klein sein dürfen, gibt es eben auch solche, die nur aus einer Klasse bestehen. Der Klassenelternsprecher ist automatisch Elternbeirat und sein eigener Vorsitzender.

Was werden das für harmonische Sitzungen, wenn keiner widerspricht!

21 Juni, 2010

Bürger machen Bildung

Die Hamburger stimmen am 18. Juli über ihr Schulsystem ab. "Dass die Bürger darüber entscheiden, wie ihre Kinder einmal lernen werden, das gab es in Deutschland noch nicht.", schreibt die ZEIT, tief beeindruckt. Und irrt. In Nordrhein-Westfalen gab es 1978 ein Volksbegehren, welches nur deshalb nicht zum Volksentscheid wurde, weil die Landesregierung die Forderungen vor lauter Schreck gleich selber übernahm. Es war das erfolgreichste Volksbegehren, das es in Deutschland je gab.

Ein bisschen Recht hat die ZEIT aber vielleicht doch: Die Bürger haben damals nicht entschieden, wie ihre Kinder lernen sollen. Sie haben entschieden, wie sie nicht lernen sollen.

14 Mai, 2010

Bildungsaufruhr im Freistaat

Was die Grünen schon seit Jahren fordern, ohne dass es irgendwen sonderlich berührt, hat die Bayern-SPD unter beträchtlichem Rauschen im Blätterwald nun ebenfalls gefordert: gemeinsames Lernen aller Kinder bis zum Ende der 10. Klasse. Gemeinschaftsschule nennen die Genossen das, und Kultusminister Spaenle schimpft prompt auf die Einheitsschule.

Er hätte gelassen bleiben können. So ernst meinen es die Roten nun auch wieder nicht. Sie hatten ursprünglich sogar ein Gymnasium ab der 7. Klasse geplant, wie es im Antragspaket für den Parteitag noch nachzulesen ist. In ihrem Leitantrag zur Bildung, der am 8. Mai in Bayreuth dann schließlich beschlossen wurde, äußern sie sich zur Schulstruktur nur noch sehr vage. Am Gymnasium schieden sich vermutlich die Geister, so dass man sich nicht festlegen wollte. Den Medien teilte der SPD-Schulexperte Ulrich Pfaffmann allerdings postwendend mit, dass selbstverständlich keine der bestehenden Schulformen abgeschafft werden solle.

So funktioniert Revolution im Freistaat Bayern.

13 April, 2010

Durchschnittsrechnung

Während sogar Bayern die Notenhürde niedriger legt, hebt Sachsen sie an. An ein sächsisches Gymnasium kommt man künftig nur noch mit mindestens 2,0 in Mathe, Deutsch und Sachkunde. Bisher reichte 2,5. Was hat die Sachsen zu diesem Schritt bewogen? Wollen sie weniger Akademiker?

Ganz einfach: Ein sächsischer Abiturient hat gemerkt, dass man aus drei Noten keinen Durchschnitt von 2,5 errechnen kann. Und bevor da womöglich jemand aus Bayern draufkommt ...

04 April, 2010

Ministerieller Edelmut

Kleine Schulen sind überall gefährdet. Wo Kinder fehlen, ist die Schule schnell weg. Bayern bietet seinen kleinen Hauptschulen an, sich zu Schulverbünden zusammenzuschließen. Das dürfen sie aber nur, wenn sie noch mehr bieten: drei berufliche Zweige, den mittleren Abschluss und vor allem eine Ganztagsschule, gern auf mehrere Schulhäuser verteilt.

Dass die Kinder dann hin und herfahren, macht nichts. Teurer werde es dadurch für die Gemeinden, die ja die Busse finanzieren müssen, nicht, versichert das Kultusministerium in einer ausgefeilten Berechnung. Na ja, eigentlich irgendwie schon, und zwar um 1,6 Millionen. Diesen Betrag nennt es dann doch in seinem Gesetzentwurf. Und wiegelt gleich wieder ab: Wenn es die Schulverbünde mit der zusätzlichen Fahrerei nicht gäbe, würden Schulen geschlossen und Kinder müssten noch viel weiter fahren. Und dann würde es erst richtig teuer.

Es stimmt ja: Wenn ich jemandem statt 100 Euro nur 50 wegnehme, habe ich ihm im Grunde etwas geschenkt. Solcher Edelmut verdient Anerkennung statt Gemaule.

02 März, 2010

Der Zeit voraus

Dass Lehrerverbände ihre Mitglieder bei beruflichen Fragen unterstützen, versteht sich von selbst. Im Idealfall helfen sie ihnen aber auch bei der Bewältigung des Alltags. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband ist da geradezu vorbildlich. Er passt seinen Service dem Lebensrhythmus der Lehrkräfte an.

Zu diesem Zweck hat er zwei unterschiedliche Kalender herausgegeben. Der eine ist für die schnelllebige Großstadt, zum Beispiel für München. Die Kalenderwochen werden hier genauso gezählt wie in der Wirtschaft, man lebt schließlich am Puls der Zeit. Ein Städtchen auf dem Land arbeitet dagegen mit einem BLLV-Kalender, der eine Woche vorgeht. Wenn die Münchner in der 10. Woche sind, ist man hier schon in der 11.

Wer zur Bedächtigkeit neigt, kennt die Methode: die Uhr vorstellen, damit man den Zug nicht verpasst. Der fürsorgliche BLLV stellt mit diesem Kalender sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen auf dem Land die Ferien nicht verpassen.

27 Februar, 2010

Eine Zwei ist eine Zwei ist eine Zwei

G8 ist nicht schwerer als G9. Das beweisen angeblich die Zwischenzeugnisse, die der bayerische Kultusminister auf Druck von Eltern und Schülern hat vergleichen lassen. Die Noten unterscheiden sich nur um wenige Zehntel, und außer in Latein sind die G8-Schüler sogar besser. Also alles in Butter?

Ein gravierender Vorwurf kommt vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband: Die Noten seien getürkt. Das Ministerium habe die Schulleiter angewiesen, G8-Schüler so zu benoten, dass sie nicht schlechter abschneiden. Das ist starker Tobak. Die SPD-Landtagsfraktion springt auf den Zug. Die anderen Parteien halten sich bedeckt - der Zug könnte auf ein totes Gleis fahren.

Da Lehrer ihre Noten nicht selten nach der Normalverteilung vergeben, ist es kein Wunder, wenn der Durchschnitt überall ähnlich ist. Deshalb war eine Anweisung von oben wohl gar nicht nötig. Wer bayerische Verhältnisse kennt, kann sich vorstellen, dass es sie trotzdem gab.

Das Erstaunliche an der Geschichte: Lehrer und Bildungspolitiker glauben offenbar wirklich an einen objektiven Zusammenhang zwischen Leistung und Noten.

22 Februar, 2010

Modellschulen - ein Placebo?

Das Kultusministerium verkündet, dass 20 bayerische Grundschulen die flexible Eingangsphase testen. Endlich!, werden Sie sagen, weil das schließlich in anderen Bundesländern seit Jahren läuft.

Dabei hätte Bayern die flexible Eingangsphase längst einführen können, denn einen Modellversuch an 26 Schulen gab es zwischen 1998 und 2002. Der wurde zwar gar nicht wissenschaftlich ausgewertet, galt jedoch als Erfolg. Auf der didacta 2003 in Nürnberg kündigte die damalige Kultusministerin Monika Hohlmeier die Einführung der flexiblen Eingangsphase an, und ihr Nachfolger Schneider berief sich immer mal wieder auf den erfolgreichen Versuch. Irgendwann muss den Verantwortlichen klar geworden sein, dass die flächendeckende Einführung Geld kosten würde, und die Angelegenheit verschwand in der Versenkung.

Nun sollen es wieder nur ein paar Modellschulen werden, und wieder ist keine wissenschaftliche Begleitung geplant. Wozu dann der Aufwand? Vermutlich das übliche bunte Zuckerbonbon - damit die Wählerschaft glaubt, in der bayerischen Bildungspolitik gehe es voran.

Nachtrag am 5.3.10:
Der Geschäftsführer der Stiftung Bildungspakt hat inzwischen glaubhaft versichert, dass der Modellversuch eine Idee der Stiftung ist und nicht eine des Ministeriums. Und dass es diesmal ernsthaft um die individuelle Förderung der Kinder gehe. Das war beim Modellversuch zwischen 1998 und 2002 in der Tat anders. Der sollte beweisen, dass jahrgangsübergreifender Unterricht nicht schadet und man deshalb kleine Schulen durch Kombiklassen retten darf.

21 Februar, 2010

Drei in Kunst rettet Matheabi

Gute Nachrichten für die Abiturienten des Jahrgangs 2012:
Mit einer Drei in Kunst und ein paar Punkten in der mündlichen Nachprüfung lassen sich eine Sechs und zwei Fünfen im schriftlichen Abi ausgleichen. Systemimmanenter Notenausgleich nennt sich das, wie das Kultusministerium mitteilen lässt. Man muss dann noch ein bisschen herumrechnen und darf in keinem Kernfach ganz auf Null stehen, dann klappt es. Eine Sechs in Mathe lässt sich also gewissermaßen mit einer Drei in Kunst neutralisieren.

Wer den systemimmanenten Notenausgleich auf Anhieb versteht, braucht ihn nicht. Der schreibt keine Sechs im Matheabi.

17 Februar, 2010

Der sechsjährige Weg

Einheitsbrei! Steinzeitpädagogik! Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle ist ganz aus dem Häuschen, so entzetzlich findet er, was sich bei der heute veröffentlichten Forsa-Umfrage andeutet: Die Mehrheit der Bundesbürger wünscht sich eine sechsjährige gemeinsame Grundschulzeit.

Zwar gehen auch in Bayern alle Kinder gemeinsam in die Grundschule, aber das Gleiche ist eben doch nicht das Gleiche. Während in Hamburg, Berlin oder dem Saarland die Grundschule Einheitsbrei serviert, werden in der bayerischen Grundschule unterschiedliche Kinder ganz unterschiedlich gefördert - jedes nach seinen Bedürfnissen. Solche Förderung darf dann gern auch mal fünf oder sogar sechs Jahre dauern, wie Spaenle das in einer etwas älteren Pressemitteilung verkündet.

An den sechs gemeinsamen Jahren liegt es also nicht. Woran aber dann? Vermutlich fehlen in den anderen Bundesländern einfach Realschul- und Gymnasiallehrer, die die schulpolitische Suppe für Zehnjährige mal kräftig umrühren. Damit ihnen niemand zwei Schuljahre wegnimmt - bloß wegen der Kinder.

25 Dezember, 2009

Das Image der Alltagshelden

Die FAZ zitiert eine Studie des Instituts für Demoskopie in Allensbach, nach der das Image der Lehrer immer schlechter wird. Dagegen steht die jährliche Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung, bei der Lehrer stets in der Spitzengruppe sind. Jahrelang standen sie an zweiter Stelle hinter den Ärzten, inzwischen auf Platz fünf nach Feuerwehrleuten, Ärzten, Polizei und Post. Und doch: Wenn 82 Prozent aller Befragten Lehrern vertrauen, kann man wohl kaum von schlechtem Lehrerimage reden.

Woher kommt der Unterschied? Die Frage macht's. Die GfK fragt nach dem Vertrauen in einen ganzen Berufsstand. Die Allensbacher aber wollen wissen: "Haben Sie große Achtung vor dem Beruf des Studienrats?"

Das muss die FAZ noch lernen: Es gibt ein Leben außerhalb des Gymnasiums. Und offenbar nicht das schlechteste.

05 November, 2009

Der eilige Ludwig

Die Schule muss das Kruzifix von der Klassenzimmerwand nehmen, wenn Eltern das fordern. Diese Nachricht aus Straßburg war kaum über den Ticker, da hatte Kultusminister Ludwig Spaenle schon reagiert: Was die Richter in Straßburg entschieden haben, sei in Bayern ein alter Hut. Dass der bayerische Hut so alt auch wieder nicht ist und ziemlich löchrig obendrein, verriet Spaenle in seiner Pressemitteilung vom 3.11. natürlich nicht. Dort stand vielmehr zu lesen:

"In Bayern werden Kreuze in Klassenzimmern abgehängt, wenn Eltern oder Schüler aus Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung dem Kreuz im Klassenzimmer ernsthaft widersprechen. Damit steht die Praxis in Bayern mit den bekanntgewordenen Inhalten des Straßburger Urteils im Einklang."

Dieser Passus findet sich in der Pressemitteilung, die auf der Website des Kultusministeriums veröffentlicht ist, nicht mehr. Ludwig war wohl ein wenig zu eilig, seine CSU hat ihn zurückgepfiffen. Einen Tag später symbolisiert das Kreuz nicht mehr nur den christlichen Glauben, sondern den gesamten abendländischen Wertekanon. Von Übereinstimmung mit der Straßburger Entscheidung ist nicht mehr die Rede.

Und die SPD? Die hält sich auffallend bedeckt. Ihr bildungspolitischer Sprecher, der sonst keine Gelegenheit auslässt, der CSU ans Bein zu pinkeln, schweigt. Auch ihm geht wohl das Kreuz über alles. Jedenfalls das Kreuz, welches der Wähler macht.


02 September, 2009

Prognosen für die Zukunft

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Je nach Quelle stammt der Satz von Karl Valentin, Mark Twain oder Winston Churchill.

Vom Lehrerpräsidenten Josef Kraus (geb. 1949) stammt die Erkenntnis, dass Prognosen bei Zehnjährigen zwar treffsicher, bei 20-Jährigen aber nicht mehr möglich sind. In einem Interview mit dem Stern findet er es richtig, Kinder nach der vierten Klasse ihrer Begabung entsprechend auf Schularten zu verteilen, doch ob ein Zwanzigjähriger zum Lehrerberuf taugt, wisse man nicht. Er möge es einfach ausprobieren.

Je älter jemand ist, desto schlechter lässt sich also voraussagen, was aus ihm noch wird. Die momentane geistige Verfassung kann man allerdings sogar bei einem Sechzigjährigen zweifelsfrei erkennen - indem man seine Interviews liest.

11 August, 2009

Geheimdemokratie

Eine Freud'sche Fehlleistung? Oder wird das bayerische Kultusministerium gar von demokratischen Subjekten infiltriert? Wer weiß. Fest steht: Aus der demographischen Rendite im ersten Satz der Pressemitteilung vom 30. Juli 2009 wird im dritten Satz die demokratische Rendite.

In der Tat, liebe Bayern: Ein bisschen mehr Demokratie wäre ein Gewinn. Besonders in der Schule.


30 Mai, 2009

Letztwirksam

Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle verkündet wieder einmal, dass Eltern in Bayern über die Schullaufbahn ihrer Kinder selbst bestimmen dürfen. Letztwirksam, so sagt er, sei bald das Wort der Eltern. Die Zeitungen drucken das, ohne zu fragen, was er damit meint.

Was Spaenle will, ist klar: Wählerstimmen. Aber entweder weiß er nicht, was seine Verwaltung formuliert hat, oder er täuscht die Öffentlichkeit bewusst. Eltern dürfen weiterhin nicht frei entscheiden, ob ihr Kind die Hauptschule besucht oder das Gymnasium. Die angebliche Wahlfreiheit besteht darin, das Kind aufs Gymnasium schicken zu dürfen, wenn es im Probeunterricht in Deutsch und Mathe eine Vier hat; bisher musste es in einem der beiden Fächer eine Drei sein. Bei schlechteren Noten ist die Wahlfreiheit aber wieder dahin.

Die Allerletzten, die dann irgend etwas bewirken können, sind die Eltern. So haben die sich ihre „Letztwirksamkeit“ sicherlich nicht vorgestellt.

24 Mai, 2009

Volle Breitseite

Immer mehr bayerische Eltern melden ihr Kind auf dem Gymnasium an. Für Kultusminister Spaenle beweist das zweierlei: Erstens ist das achtjährige Gymnasium doch nicht so schrecklich, wie der politische Gegner immer behauptet. Und zweitens ist das gegliederte bayerische Schulwesen das beste von allen, wie man in einer Pressemitteilung nachlesen kann.

Hätte Spaenle einen Blick in den jährlichen Bildungsbericht des statistischen Landesamts geworfen, wüsste er, dass die Quote der Übertritte ans Gymnasium seit Jahren steigt, völlig unabhängig davon, ob das Kultusministerium gerade wieder einmal irgendwelche Neuerungen einführt oder nicht. Wenn der Notendurchschnitt nicht reicht, bleibt der Probeunterricht. Ganz freiwillig schickt kaum jemand sein Kind auf die Hauptschule.

„Vielfältige Angebote des differenzierten Schulwesens werden in der ganzen Breite nachgefragt“, lässt Spaenle verkünden. Mit Verlaub: Das ist zynisch. Jedenfalls dann, wenn man gerade den Probeunterricht nicht bestanden hat.

06 Mai, 2009

Pleite

Das bayerische Kultusministerium ist pleite. Anders ist das Schreiben nicht zu erklären, mit dem es jetzt einen monatelangen Gedankenaustausch über das Bezahlen von Rechnungen beendete. Mag sein, dass der Wink mit dem Rechtsanwalt eine Rolle spielte. Das Ministerium teilte jedenfalls seinen Entschluss zum Zahlen mit und schloss mit einem denkwürdigen Satz: "Die Auszahlung wird erfolgen, sobald die entsprechenden Mittel bereit gestellt werden können. Bis dahin bitte ich Sie höflich um Geduld."

Man sieht sie richtig vor sich, die Ministerialräte, wie sie im Keller ratlos vor dem leeren Tresor stehen, wie sie ihre Hosentaschen umkrempeln und doch nur ein paar Cent finden, allenfalls noch den Euro für den Einkaufswagen bei Aldi. Woher also das Geld nehmen? Lotto spielen schickt sich nicht für Staatsdiener, und die bayerische Landesbank sollte man - bei allem Patriotismus - besser auch nicht anpumpen ... Eine wahrhaft verzweifelte Lage.

Stimmt gar nicht, sagen Sie und finden, dass hier ein Ministerium die Bürger nicht ernst nimmt? Das ist aber eine böswillige Unterstellung!

14 April, 2009

Kinderkriegen, akademisch betrachtet

Mit der Studiengebühr lässt sich Bevölkerungspolitik betreiben. Das hat Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch ganz richtig erkannt. In Bayern zahlt künftig keine Familie mehr als 1000 Euro im Jahr fürs Studium, egal, wie viele Kinder studieren. Je mehr Studis, desto billiger wird es also pro Kopf.

Kluge Eltern kalkulieren das bei der Familienplanung ein und machen sich ans Werk. Auch wenn es sich erst in 20 Jahren in der Statistik zeigt: Frau von der Leyen wird es Heubisch danken.

30 März, 2009

Die Sache mit den Werten

"In der Schule trägt der konfessionelle Religionsunterricht maßgeblich zur Werteerziehung und Persönlichkeitsbildung bei", sagte der bayerische Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle heute bei der Jahrestagung der evangelischen Landessynode. Ähnlich äußerte er sich vorgestern bei den Katholiken.

Sonderlich erfolgreich scheint die Kirche mit ihrer Werteerziehung allerdings nicht zu sein. Hätte Spaenles Vorgänger Schneider sonst eigens eine Wertekampagne an den Schulen gestartet?

24 März, 2009

Erfolg mit Oma und Opa

Ohne Elterneinsatz funktioniert Bildung längst nicht mehr. Nun hat der Schroedelverlag eine neue Zielgruppe für seine Lernhilfen entdeckt: Oma und Opa. Das ist klug ausgedacht, denn die haben mehr Zeit als die Eltern, und Geld haben sie auch.

Das Gymnasiums-Kind wird zum Projekt für die ganze Familie. Man braucht nur in die richtige Familie hineingeboren zu sein.

14 März, 2009

Nomen est omen

Kultusminister Spaenle rettet eine Schulart, indem er sie abschafft. Die ungeliebte Hauptschule soll einen neuen Namen bekommen, berichtet Radio Charivari. Vielleicht merken Eltern die Schummelei ja nicht und schicken ihre Kinder freudig in die Wie-auch-immer-sie-heißen-wird-Schule.
Ganz neu ist Spaenles Idee allerdings nicht. Der ehemalige Staatssektretär im Kultusministerium Karl Freller befand schon 2006, dass Bayerns Hauptschule einen neuen Namen braucht, nachzulesen in diesem Blog.

03 März, 2009

Geteilte Verantwortung

Nun ist es endlich raus: Der Elternwille beim Übertritt von der Grundschule ins Gymnasium wurde doch gestärkt. Ich habe dem bayerischen Kultusminister mit meinem Eintrag vom 25. Februar Unrecht getan.

Der Probeunterricht gilt nach wie vor mit einer Drei und einer Vier als bestanden, wie man beim Kultusministerium nachlesen kann. Ist die Drei aber eine Vier, entscheiden die Eltern, ob das Kind ins Gymnasium geht. Hier tragen sie ganz allein die Verantwortung. Geht es schief, sind sie schuld.

Da muss der Schluss erlaubt sein, dass für alle anderen Übertrittsvarianten der Kultusminister die Verantwortung trägt. Geht es schief, ist Spaenle schuld. Am besten schicken die Eltern ihm dann einfach die Rechnung für den Nachhilfeunterricht.

28 Februar, 2009

Das große Vergessen

Vielleicht ist ja doch alles ganz anders. Vielleicht tut dem bayerischen Kultusminister Unrecht, wer ihm vorwirft, sich unqualifiziert zu äußern (wie mehrfach in diesem Blog geschehen). Der Ärmste leidet an präseniler Vergesslichkeit. Das glauben Sie nicht? Sollten Sie aber. Beim Antrittsbesuch des Bayerischen Elternverbands, gegen dessen damalige Vorsitzende Spaenle in Schwabing nur äußerst knapp das Direktmandat gewonnen hatte, wollte ihm der Name der Wahlkampfgegnerin absolut nicht einfallen.

Bei einem derart honorigen Minister kann solcher Gedächtnisschwund auf keinen Fall Absicht gewesen sein!


27 Februar, 2009

Die Förderkulisse

Bayerns Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle besuchte ein Förderzentrum in der Oberpfalz und war voll des Lobes über die engagierte Arbeit. So begeistert war er, dass er versprach, er werde sich mit aller Kraft gegen eine Aufgabe der Förderschulen zugunsten der Integration von Förderschülern in Regelklassen wehren. "Wenn es sein muss, lass ich mich dafür auch verklagen", sagte er nach einem Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung mit Blick auf die UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen, die Deutschland im Dezember 2008 endlich unterzeichnet hatte.

Der Bayerische Elternverband fand so viel vehement vorgetragenes bayerisches Selbstbewusstsein bedenklich. Ein Minister dürfe Un-Konventionen nicht nach Gutdünken aushebeln, meinte er in einer Pressemitteilung. Postwendend schwang Spaenle die Ideologiekeule, die das Ministerium immer dann hervorholt, wenn es nicht so recht weiß, was es sagen soll.

Dabei hätte Spaenle einfach sagen können, dass er die Regelschulen besser ausstatten will. Damit dort endlich alle Kinder "die Förderkulisse erhalten, die sie brauchen".

25 Februar, 2009

Was wiegt der Elternwille?

Bayerns Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle hat ein offenes Ohr für Eltern. Vor allem für die Eltern von Grundschülern auf dem Weg ins Gymnasium. "Der Elternwille erhält ein höheres Gewicht", versichert Spaenle in einer Pressemitteilung. Pfundig, denkt die Viertklässlermutter. Darf ich im Mai nun selbst entscheiden, auf welche Schule ich mein Kind schicke?

Gemach. So weit geht die Mitbestimmung der Eltern in Bayern nicht. Der Minister hat beim Probeunterricht - den nach wie vor besuchen muss, wer nicht seine 2,33 im Übertrittszeugnis hat - einen "erweiterten Notenkorridor für die Elternentscheidung eröffnet". Auf Deutsch: Früher galt der Probeunterricht mit einer Drei und einer Vier als bestanden, künftig darf es zweimal die Vier sein.

Sie fragen sich, an welcher Stelle der Elternwille gewichtiger geworden ist? Ganz einfach: Eltern haben jetzt eine Notenkonstellation mehr, bei der sie sich trotz bestandenen Probeunterrichts für die Hauptschule entscheiden dürfen.

31 Januar, 2009

Ludwig III von Bayern

Der bayerische Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle besucht eine Hauptschule in Nürnberg. Damit die Schüler einen guten Eindruck machen, üben die Lehrer schon Tage vorher mit ihnen, wie man sich einem Minister präsentiert: keine Löcher in den Jeans, sauberes Sweatshirt, Hals und Hände gewaschen. Und natürlich die Sprache: "Herr Kultusminister" üben sie, bis sie es im Schlaf können.

Ein bisschen aufgeregt sind die jungen Leute. Nicht alle Tage begegnen sie schließlich einem leibhaftigen Minister. Aber sie haben geübt, es kann nichts schief gehen. Als Spaenle in die Aula tritt, wollen sie zu einem freundlichen "Guten Tag, Herr Kultusminister!" ansetzen.

"Ich bin der Ludwig", sagt da der Gast.

23 Januar, 2009

Die Hohe Kunst des Mäkelns

Als Opposition hat man es wirklich nicht leicht. Was immer die Regierung tut - die Opposition muss ja schon allein aus Selbstachtung auch in der schmackhaftesten Suppe ein Haar finden. Nun kann man zwar geteilter Meinung darüber sein, ob das neue Zwischenzeugnis für bayerische Viertklässler besonders schmackhaft ist. Eine Katastrophe ist es aber bestimmt nicht.

Das sehen die Grünen in einer Pressemitteilung anders und nehmen den heute verteilten Lernstandsbericht zum Anlass zur Abrechnung mit dem System. Die Eltern sehen es gelassener. Sie erkennen schließlich auf einen Blick, wie ihr Kind derzeit leistungsmäßig steht und wo ein paar zusätzliche Lernrunden eingelegt werden müssen, wenn im Mai auf dem Übertrittszeugnis hübschere Noten stehen sollen.

Mehr wollen sie gar nicht wissen, denn fürs schulische Überleben zählen nur Noten. Wer jetzt im Schulsystem steckt, kann nicht warten, bis die Grünen in Bayern an der Regierung sind.

10 Januar, 2009

Schwarzer Umweltschutz

Ein Lehrer aus Erlangen motiviert Schüler, CO2 zu sparen. Dazu hat er eine Website entwickelt, die sich sehen lassen kann. Der bayerische Kultusminister Spaenle schmückt sich als Schirmherr freudig mit diesem Projekt. Es kostet ihn schließlich nichts und hebt die Reputation. Mit Appellen zum Stromsparen und zu verantwortungsvollem Heizen macht man sich keinen einzigen Feind.

Was aber, wenn Spaenle und seine CSU sich das Projekt näher ansehen? Die Luft wird ihnen wegbleiben vor Schreck! Auf der Website steht unmissverständlich, wie umweltschädlich Autofahren ist. Und das einer Partei, die EU-Beschlüsse für emissionsarme Autos ablehnt, um die bayerische Autoindustrie nicht zu vergrämen!

Aber: Wer die Luft anhält, atmet nicht aus und spart so kiloweise CO2. Pfiffig, diese Schwarzen - das ist ihr Beitrag zum Klimaschutz.

07 Januar, 2009

Bildung und Wahrheit

Die Kultusminister haben einen Test entwickeln lassen, bei dem im März alle Achtklässler zeigen, was sie in der Schule gelernt haben. Das Ziel: Bildungssysteme und Unterricht prüfen, Schwachstellen finden, künftig alles besser machen. Dazu werden Bildungspolitiker umdenken, Lehrer umlernen und Finanzpolitiker viele Euro lockermachen müssen.

Vielleicht aber auch nicht. Die Rettung naht in Gestalt der Schulbuchverlage. Sie werfen bereits die ersten Übungshefte auf den Markt, mit denen sich die Achtklässler fit machen (lassen) können. Damit sie bei den Tests ja gut abschneiden. Weil Eltern sich ja immer noch einreden lassen, dass sie für die Schulleistung ihrer Kinder verantwortlich sind. Brav bezahlen sie also die Übungshefte und lernen mit ihren Kindern.

Und wieder mal wird niemand merken, wie mittelmäßig hierzulande die Schulbildung ist. Am allerwenigsten diejenigen, die dafür bezahlt werden, dass sie für anständige Bildung sorgen.

08 Oktober, 2008

Eine Handvoll Schulgeld

Lange haben Wohlfahrtsverbände und linke Politiker bemängelt, dass Kinder von AlgII-Empfängern kaum Geld für Schulsachen haben. Bei Hartz IV wurden solche Ausgaben schlicht nicht bedacht. Nun macht die Bundesregierung jedes Schuljahr 100 Euro locker, pro AlgII-Kind. Ist doch prima, oder? Vielleicht reicht es nicht ganz, aber einige Hefte und Stifte, Kopiergeld, Turnbeutel und der Taschenrechner lassen sich davon bezahlen. Womöglich sogar noch der Bus am Wandertag.

Und mehr Kindergeld gibt es schließlich auch. Ist nun alles gut? Nicht für AlgII-Empfänger. Vom Kindergeld haben sie nichts. Ihr Kindergeld nimmt der Staat aus der einen Tasche und steckt es gleich wieder in die andere, in die Hartz-IV-Tasche. Lebt eine Familie von AlgII, bekommt sie für jedes Kind 100 Euro mehr im Jahr. Alle anderen Familien erhalten pro Kind 120 oder 192 Euro mehr, je nachdem, wie viele Kinder sie haben. Auch der Kinderfreibetrag steigt.

Naja, ist vielleicht ganz gut, dass die HartzIV-Haushalte weniger kriegen als die anderen. Jeder Bildleser* weiß: Die würden das Geld ja doch bloß versaufen.

*und nicht nur Bildleser, wie man einem Bericht der Rheinischen Post vom 15.10. entnehmen kann.

***
Was AlgII-Empfänger mit dem wenigen Geld tatsächlich machen, lässt sich in einer aktuellen Studie nachlesen: Studie zum Nürnbergpass

23 September, 2008

Die Menge macht's

Neun Eltern- und Lehrerverbände, so vermeldet der Bayerkurier, stellen sich wie ein Mann hinter die Bildungspolitik der CSU.

Ob dem Bayernkurier wohl klar ist, was seine Aufrechnerei im Umkehrschluss bedeutet? Zehn Parteien stellen sich am kommenden Sonntag landesweit zur Wahl. Die CSU will als einzige Partei erklärtermaßen weiterhin zehnjährige Kinder auf unterschiedliche Schularten sortieren.

Eine gegen neun. Ist diese Partei da nicht hoffnungslos im Hintertreffen?


22 September, 2008

Wahlkampf in der Schule

Der Landeselternverband der bayerischen Realschulen macht Wahlkampf. Die Vorsitzende Ingrid Ritt hat die Elternbeiräte aller Realschulen in einem Brief gebeten, beim Kreuzchenmachen am kommenden Sonntag darauf zu achten, welche Partei sich für die richtige Schulstruktur einsetzt. Da nur noch eine einzige Partei in Bayern das rigorose Sortieren Zehnjähriger verficht, braucht man wohl nicht zu rätseln, wen sie dabei im Sinn hatte. Einen Namen nennt sie nicht, denn Elternverbände sind erklärtermaßen parteipolitisch unabhängig.

Darf Frau Ritt das denn überhaupt? Darf sie in Schulen Wahlwerbung betreiben? Sie darf. Und sie profitiert dabei von einer Initiative des von ihr so ungeliebten Bayerischen Elternverbands. Der hatte sich im Jahr 2004 für das Recht der Elternbeiräte eingesetzt, selbst zu entscheiden, was mit ihrer Post geschieht. Die damalige Kultusministerin Monika Hohlmeier wollte der SPD Briefe an Elternbeiräte verbieten. Sie musste einsehen, dass das Schulrecht ihr dazu keine Handhabe liefert.

Der Landeselternverband der Realschulen in Bayern hatte sich damals öffentlich vehement für das Verbot der SPD-Briefe in die Bresche geworfen. Ob Frau Ritt weiß, wem sie das Umdenken des Kultusministeriums zu verdanken hat?


***

Nachtrag am 23.9.08: Inzwischen wurde bekannt, dass die Landeselternvereinigung der Gymnasien die Eltern sogar unverhohlen dazu aufgefordert hat, CSU zu wählen.

16 September, 2008

Höhere Mathematik

Die "überwiegende Mehrheit der bayerischen Eltern- und Lehrer" steht in der Bildungspolitik fest an der Seite der CSU. Das schreiben Lehrer und Eltern von Realschulen und Gymnasium in einer Pressemitteilung, und Zeitungen, die die bayerischen Verhältnisse nicht kennen, schreiben es ab (letzter Absatz im Beitrag der Welt vom 14.9.08).

Wie kommt diese überwiegende Mehrheit zustande? Wie alles in Bayern: durch Schulbladendenken. Für jede vermeintliche Begabungsrichtung gibt es eine eigene Schulart, und für jede noch so kleine Schulart mindestens einen Lehrer- und einen Elternverband, oft sogar mehrere. Tun sich also z.B. die Elternvertreter aus Realschulen, Wirtschaftsschulen, Gymnasien und Fachoberschulen zusammen, die die Eltern von etwa einem Drittel aller bayerischen Schüler vertreten (könnten, wenn die denn alle bei ihnen Mitglied wären), sind das vier Verbände. Der Bayerische Elternverband, der keinen Unterschied zwischen den Schularten macht und deshalb deutlich mehr Eltern vertreten kann, ist dagegen nur ein einziger Verband.

Also haben die konservativen CSU-Unterstützer "die überwiegende Mehrheit" - logisch, oder? Das ist höhere Mathematik in Bayern.

30 August, 2008

Vom Brockhaus zu Wikipedia

Wer gewinnt den Kampf um die Deutungshoheit über das Wissen in der Gesellschaft? Die Antwort bleibt offen. Das Erlanger Poetenfest hatte erneut den Mut, klassische Bildung mit der Welt des Internets zu konfrontieren. Das ist löblich. Weniger löblich ist die Überheblichkeit, mit der Wilfried F. Schoeller, der Moderator der Diskussionsrunde „Vom Brockhaus zu Wikipedia - die Zukunft unseres Wissens“, mit der vermeintlichen Konkurrenz um die Deutungshoheit umging. Der Wikipediaautor Matthias Schindler hätte ganz sicher mehr zu sagen gehabt, als er sagen durfte. Schoeller fiel ihm in jedes zweite Wort, und es blieb unklar, ob aus Verachtung für die neuen Medien oder aus Angst vor ihnen.

Schindler nahm es mit bewundernswerter Gelassenheit. Kann er ja auch, er ist jung. Unter allen Anwesenden - das Publikum einschlossen - wird er es sein, der zuletzt lacht. Auch dann noch, wenn diejenigen längst unter der Erde sind, die Bildung und Wissen für sich gepachtet zu haben glauben.

29 August, 2008

Der Lehrer als Kapazität

Hund san's scho, die Bayern. Da verkündet der Kultusminister ein paar Monate vor der Landtagswahl, dass Bayern im kommenden Schuljahr mehr als 2000 zusätzliche Lehrer finanziert. Bei gut 5000 Schulen ist das fast ein halber für jede Schule. Respekt! Ein Blick in den Haushaltsplan 2007/2008 und in den Nachtragshaushalt zeigt: nur 184 neue Lehrerplanstellen. Doch Finanzminister Huber war gern bereit, das Geheimnis zu lüften. Wer sich die Mühe machen will, kann nachlesen, wo das Geld für die Lehrer versteckt ist.

Sehr tief muss Erwin Huber wohl nicht in den Staatssäckel greifen. Statt Lehrerstellen hat er Lehrerkapazitäten zur Verfügung gestellt. Das ist Geld für Lehrer - wenn man sie denn findet. Der Markt ist leergefegt, Huber wird sein Geld behalten können. Und nicht abgerufenes Geld ist im nächsten Haushalt wieder weg.

Das ist Großzügigkeit mit Netz und doppeltem Boden. Hund san's scho, diese Bayern.

12 August, 2008

Sommerzeit, Studienzeit

Die Bertelsmannstiftung ließ EMNID kürzlich erfragen, wie die Deutschen zur (Schul)bildung stehen. Auch eine Frage zur Schulstruktur war dabei, und es zeigte sich, dass längeres gemeinsames Lernen immer mehr Zustimmung findet. Weniger als ein Drittel der Befragten - in Ostdeutschland sogar nur jeder Fünfte - hält die jetzige Aufteilung nach Klasse 4 für gut.

Das las man in Bayern aber gar nicht gern und widerlegte es auf der Stelle. Der Pressesprecher des Kultusministeriums hatte die undankbare Aufgabe, der Öffentlichkeit dieses Ergebnis als Bestätigung seines wunderbar gegliederten Schulsystems zu verkaufen. Er löste sie bravourös mit der Behauptung, gerade die Menschen im Osten hielten Schule für ungerecht. Das Schulsystem in den neuen Bundesländern sei aber so gut wie nirgends gegliedert (was nicht stimmt - es gibt einfach eine einzelne Schulform weniger), also sprächen sie sich indirekt für ein gegliedertes Schulsystem aus. Auf so eine Argumentation muss man erst einmal kommen.

Und Josef Kraus, der zwar als Präsident aller deutschen Lehrer auftritt, aber immer mit stramm bayerisch-konservativen Ideen, bezeichnete die Studie als fragwürdig. Sie sei nicht repräsentativ. Repräsentativ sei vielmehr eine Forsa-Studie vom November 2007, die etwas ganz anderes herausgefunden hat: eine Mehrheit fürs Trennen nach Klasse 4. Da Forsa 1013 Menschen fragte und EMNID 1519, müssen nach Kraus offenbar möglichst wenige Menschen gefragt werden, damit Antworten repräsentativ sind. Das erklärt, warum er stets ganz allein alle deutschen Lehrer repräsentiert.

02 August, 2008

149.964 Schulen zu wenig

Bayern fördert seine Jugend begabungsgerecht, wie Kultusminister Schneider immer wieder betont. Der Mann hat Recht! Eine Übersicht über das weltweit wohl umfangreichste Angebot individueller Förderung hat dankenswerterweise der Bayerische Elternverband in einer Pressemitteilung zusammengestellt.

29 Juli, 2008

Religio ante portas

Ganztagshauptschulen erhalten vom bayerischen Kultusministerium mehr Lehrerstunden als Halbtagsschulen. Anfangs waren es 19 - genug für eine gute Ganztagsschule. Inzwischen sind es nur noch zwölf, denn gespart wird überall. Die fehlenden Stunden sollen sich die Schulen mit 6000 Euro im Jahr kaufen. Das gelingt oft mehr schlecht als recht.

Ab September gibt es eine neue Variante: Religionspädagogen dürfen zwei der zwölf Stunden halten. Religion unterrichten sie aber nicht. Sie geben Streitschlichterkurse oder machen was Künstlerisches. Warum man dafür nicht richtige Lehrer nimmt, von denen ja wegen der strengen Einstellungskriterien ohnehin noch eine ganze Reihe auf der Straße herumsteht?

Ganz kar: Mehr Religiöses in die Schule! Das ist die Antwort der CSU auf den jüngsten Kruzifixbeschluss der Grünen!

11 Juli, 2008

Die zehn Gebote

Dem Leser geht das Herz auf: "Klares Bekenntnis zu vielgliedrigem Schulwesen. Kultusminister Siegfried Schneider und Arbeitsgemeinschaft der Elternvereinigungen einig über Grundlinien der bayerischen Bildungspolitik"

Zehn Punkte nennt die heutige Pressemitteilung des bayerischen Kultusministeriums. Zehn Punkte, in denen die bayerischen Eltern ihrem Kultusminister auf dem Weg zur weltbesten Bildung bedingungslos folgen. Die bayerischen Eltern? Nicht ganz. Der Bayerische Elternverband ist nicht dabei. Er ist derzeit ein bildungspolitisches Schmuddelkind, mit dem niemand spielen mag. Warum? Weil seine Landesvorsitzende für den Landtag kandidiert. Die Bewerbung um ein politisches Mandat müsse in einem demokratischen Staat jedem Bürger erlaubt sein? Im Prinzip ja. Im Prinzip auch in Bayern.

Aber doch nicht für die SPD!

06 Juli, 2008

Hauptsache dagegen

Dass die Einheitsschule von Übel ist, weiß jeder, der in den vergangenen zwei, drei Jahren einen CSU-Menschen über Bildung hat reden hören. Wenn Schlaue und Dumme beim Lernen im selben Zimmer sitzen, schadet das den Schlauen. Das war jahrzehntelang unbestritten. Einheitsschulen, dieses sozialistische Zeug, sind Gift für die Begabten. Eine Doktrin wie in Stein gemeißelt, mit eine Aura von ewiger Wahrheit.

Was hat nur den bayerischen Kultusminister geritten, dass er diese Doktrin plötzlich umschmeißt? Über Schneiders Regierungserklärung vom 3. Juli 2008 schreibt die Süddeutsche Zeitung: "Forderungen nach Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen erteilte Schneider eine Absage. ... Eine Einheitsschule gehe zulasten der Schwächeren."

Der Schwächeren? Hallo? Die CSU hat wohl beim Blick auf die Landtagswahl ihr Herz für die Benachteiligten entdeckt.

19 Juni, 2008

Bayern wird PISA-Sieger

Zum zweiten Mal hatte die CSU den pädagogischen Anthropologen und Bildungsforscher Prof. Dr. Fritz-Diedrich Neumann aus Lüneburg nach Bayern geholt. Böse Zungen behaupten, es habe sich einfach kein anderer nicht emeritierter Professor gefunden, der bereit gewesen wäre, das vertikal gegliederte Schulsystem mit wissenschaftlichen Argumenten zu verteidigen. Das stimmt nicht. Neumann ist die Kapazität auf dem Gebiet. Kein anderer belegt so überzeugend die Naturwüchsigkeit des bayerischen Schulsystems. Kein anderer spricht mit einem solchen Leuchten in den Augen vom Gold in den Köpfen der Elite und dem Stroh in den Köpfen der anderen.

Selbst den Mythos Finnland hat Neumann entzaubert. Nicht die Gesamtschule hat Finnland zum PISA-Sieger gemacht. Es waren die vielen fremdsprachigen Filme mit Untertitel, an denen finnische Kinder zugleich das Lesen und fremde Sprachen üben. Es waren die endlosen dunklen Monate im Norden, in denen man sich in Bücher vergräbt. Und es war das traditionelle Arbeitsethos, denn 95 Prozent aller Finnen sind, wie Neumann versichert, protestantisch.

Was also soll Bayern tun, um die nächste PISA-Runde zu gewinnen? Ganz einfach: den "Tatort" auf Englisch senden, öfter mal das Licht ausmachen und schleunigst evangelisch werden.

11 Mai, 2008

Mittlere Reife

Anfang April verkündete das bayerische Kultusministerium, dass Schüler des letzten G9-Jahrgangs, die am 2. Mai eine Sechs oder zwei Fünfer haben und deswegen sitzenbleiben würden, im September an der besonderen Prüfung für den mittleren Abschluss teilnehmen dürfen. Damit sie nicht womöglich gänzlich ohne Abschluss auf der Straße stehen. Wiederholen können sie die Zehnte ja nicht, wegen des G8.

Nachdem die Lehrer Anfang Mai für ihre gefährdeten Zehntklässler brav die Noten ausgerechnet haben, heißt es nun: Alle Zehntklässler, die das Klassenziel nicht erreichen, können an der besonderen Prüfung teilnehmen. Wir dürfen gespannt sein, ob es Ende Juli nicht womöglich heißt: Die Mittlere Reife wird auch ohne besondere Prüfung verliehen.

Wäre ja auch das Gescheiteste. Wer möchte sich so kurz vor der Landtagswahl noch mit Prüfungen stressen ...

30 April, 2008

Chancengleichheit

Chancengleichheit finden alle gut. Das war auch bei der Bildungsdemo am 26. April in Nürnberg zu hören. Für Klaus Weber von der Landeselternvereinigung der Gymnasien ist es Chancengleichheit, wenn Schmalspurabiturienten aus anderen Bundesländern hochwertigen bayerischen Abiturienten nicht mehr die Studienplätze wegschnappen. Für Horst Schmidbauer von der Lebenshilfe bedeutet Chancengleichheit, dass behinderte Kinder zusammen mit anderen Kindern lernen dürfen und nicht an Extraschulen abgeschoben werden. Und für den Ministerpräsidenten ist es wichtig, dass auch ein Akademiker 37 Jahre lang für die Rente arbeiten kann, genau wie jeder Handwerker. Für diese Chance, sagt Beckstein, gibt es das G8.

Lieber Herr Beckstein, das wäre auch anders gegangen: Rente ab 68 für alle Akademiker!

26 April, 2008

Vom Umgang mit Kritik

Für "Beste Bildung mit Zukunft für Bayern" demonstrierten heute etwa 2500 Menschen in Nürnberg. Ein breites Bündnis hatte eingeladen, verbands- und parteiübergreifend. Ministerpräsident Beckstein hatte zunächst versucht, mit einer Gegenveranstaltung in München der Demo in Nürnberg das Wasser abzugraben und kam dann doch noch, zumal er ohnehin auf der Durchreise zu einem Tête-à-tête mit Bahnchef Mehdorn am Nürnberger Hauptbahnhof war.

Vielleicht kam er schon genervt von seinem Bildungsdialog in München, vielleicht provozierten ihn Plakate der Demonstranten oder die Clowns vor der Bühne? Er beschimpfte Schüler, Eltern und Lehrer als linke Fanatiker, die gegen die Staatsregierung protestierten und denen gute Bildung fehle. Das meinte er allerdings ganz anders als die Demonstranten.

Eines ist dem Landesvater zweifellos gelungen: So mancher, der als CSUler gekommen war, ging als Linker vom Platz.

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Zum Nachlesen:
Demobericht in der Süddeutschen
Der Demo-Blog

10 April, 2008

Unterricht

"Die Hauptaufgabe einer Lehrkraft besteht nicht darin, ständig Unterricht zu erteilen - das stört die Schüler nur bei der Arbeit."
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Ulrich Herrmann, ehem. Professor für Pädagogik in Tübingen und Ulm, in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung vom 7.4.08

25 Februar, 2008

Der Schüler als Dampfkochtopf

Das Abitur nach zwölf Schuljahren erhitzt in Bayern nicht erst seit Beckmanns öffentlicher Beschwerde die Gemüter. Die Nürnberger Nachrichten schreiben vom „Sprengsatz G8“ und sehen bei der Landtagswahl im September die traditionell bequeme Mehrheit der CSU in Gefahr. Zwar sind nur knapp 300.000 Wähler direkt vom G8 betroffen, und davon würden geschätzte 45 Prozent die CSU ohnehin nicht wählen. Bleiben 165.000. Doch Beckstein übt sich in Wählerberuhigung. Er weiß, dass die Schüler gestresst sind, und will wenigstens die Gebirge Afrikas aus dem Lehrplan streichen.

Würde das genügen? Das Problem ist ja nicht die Stofffülle. Das Problem ist die Art, wie in bayerischen Schulen gelernt wird. Der Schüler als Dampfkochtopf: Wissen einfüllen, Deckel drauf, Druck erhöhen. Mit Bildung hat das wenig zu tun. Schüler machen mit, weil sie nicht sitzen bleiben oder gar vom Gymnasium fliegen wollen. Ohne die Hierarchie der Schulformen wäre der Druck raus. Ein solches Ventil aber will die CSU nicht einbauen. Schließlich glauben die Entscheider vom jetzigen System zu profitieren.

Ohne ein gutes Ventil könnte den Köchen die Suppe um die Ohren fliegen.

23 Februar, 2008

Starke Werte

Eine der schwierigsten Hinterlassenschaften Stoibers für seinen Nachfolger ist die Werteinitiative. Die hatte er aus dem Hut gezaubert, als sich bundesweit ein Zurück-zur-Disziplin abzeichnete. Das Kultusministerium musste sie in die Schule tragen und feierte sich kürzlich mit dem Kongress "Werte machen stark". Gemeint sind Respekt, Wertschätzung, Aufrichtigkeit ... Werte, die Herz und Charakter bilden (Art. 131 der bayerischen Verfassung).

Schön, dass der Neue hinter der Sache steht. "Der Bedeutung verlieh auch Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein durch seine Anwesenheit beim Kongress Ausdruck.", heißt es in der Pressemitteilung des Kultusministeriums. Respekt, Herr Beckstein, für so viel Wertschätzung der Ideen Ihres Vorgängers!

Beckstein war zwar gar nicht da, weil er sich mit den Hausärzten treffen musste. Aber so genau darf man das mit der Aufrichtigkeit und all den anderen Werten auch wieder nicht nehmen. Nicht in Bayern.

Quellen:
Werte machen stark - Werteinitiative des bayerischen Kultusministeriums
Pressemitteilung zum Kongress "Werte machen stark"

15 Februar, 2008

Zwischenzeugnis

Überall hört und liest man in diesen Tagen, Eltern sollten sich in Gelassenheit üben, wenn das Kind mit dem Zeugnis nach Hause kommt. Verständnisvoll und nachsichtig sollen sie sein. Ein Zeugnis sei schließlich nichts Schlimmes und selbst eine Sechs kein Weltuntergang. "Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie es trotzdem lieben!"

Weichei-Gelaber.

Vorbildlich dagegen der pragmatische Ansatz einer schwäbischen Lehrerin. Sie empfahl ihren Viertklässlern, auf jeden Fall zwei Päckchen Taschentücher mitzubringen, denn "die Zeugnisse sind viel schlechter, als ihr denkt."

So stählt man den kindlichen Charakter!

17 Januar, 2008

Wer abschreibt, kriegt 'ne Sechs

Wer abschreibt, kann dafür eine Sechs bekommen. Das steht zwar nicht im bayerischen Schulgesetz, aber es wird so gemacht. Im Gesetz steht, dass Lehrer mit Noten die Leistung bewerten und nichts anderes. Davon, dass sie mit Noten Schüler bestrafen sollen, liest man nur in den Schulordnungen. Dort heißt es: Abschreiben gibt Note Sechs, Abschreibenlassen in den meisten Schularten ebenfalls.

Was haben sich die Juristen im Kultusministerium wohl dabei gedacht? Vielleicht dieses: Wenn jemand abschreibt, kann er den Stoff nicht, sonst hätte er das Abschreiben nicht nötig. Seine Leistung ist also miserabel, und für miserable Leistung gibt es die Note Sechs. Diese etwas brachiale Logik lässt sich zur Not noch verstehen. Aber wie erklärt sich die Sechs beim Abschreibenlassen? Wer abschreiben lässt, kann alles, sonst brauchte man von ihm nicht abzuschreiben. Alles zu können ist eine hervorragende Leistung.

Dafür hat der Schüler nach derselben Logik keine Sechs verdient, sondern eine glatte Eins. Man wird die Schulordnungen umschreiben müssen.

11 Januar, 2008

Hausbesuch

Erleben wir die Wiedergeburt der Hausbesuche? Was in den 1960er Jahren noch an vielen Schulen üblich war und dann in Vergessenheit geriet, scheint wieder im Kommen: Lehrer sehen sich bei ihren Schülern zu Hause um. Der Einstieg waren Projekte wie "Coole Schule", bei denen der Lehrer so oft an der Haustür klingelt, bis die Familie des Schulschwänzers ihm die Tür aufmacht.

Die ZEIT schreibt am 10.1.: "Dabei sind Hausbesuche keine neue Erfindung: weder im Westen noch im Osten. In der DDR gehörten sie zu den Pflichten der Klassenleiter. Nicht immer ging es dabei aber allein um das Wohl des Kindes. Der Lehrer war oft im Dienste des Staates unterwegs. Empfahl diese oder jene Arbeitsgruppe, forschte, ob man Westfernsehen sah." Wie wir aus gut unterrichteter Quelle erfuhren, waren es nur wenige Lehrer, die sich auf diese Weise ein kleines Zubrot beim Staat verdienten.

Als Anregung für Bayern mit seiner speziellen pädagogischen Gangart taugt die Idee: Der hausbesuchende Lehrer prüft, ob auf dem Schrank Staub gewischt wurde, ob die Kinder den Hals gewaschen haben und ob sie den Fisch auch ja nicht mit dem Messer essen. So unterstützt er die Werteinitiative der Staatsregierung, mit der das Kultusministerium es bekanntlich nicht leicht hat. Ein kleiner Bonus für die engagierten Pädagogen müsste da im Jahr der Landtagswahl doch drin sein?

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Quellen:
Wo machst du deine Hausaufgaben? (DIE ZEIT, 10.1.2008)
Werteinitiative der bayerischen Staatsregierung

16 Dezember, 2007

Die heimlichen Klimaschützer

Auch BMW macht in Bildung. In München hat das Unternehmen im Oktober 2007 den BMW Junior Campus eröffnet, "einen eigenen speziell für junge Besucher und ihre Begleiter konzipierten Erlebnisbereich". Das Konzept ist auf die bayerischen Lehrpläne abgestimmt. "Dadurch werden anspruchsvolle Workshops für Schulklassen möglich, die Technik in Form von interaktiven Aktionen greifbar machen und Orientierungshilfen bei der späteren Berufswahl geben können."

Eine Mutter fand es bedenklich, dass Kindern im Zeitalter des Klimaschutzes das Thema Mobilität ausgerechnet von einem Autobauer vermittelt wird, noch dazu mit ausdrücklicher Unterstützung des Kultusministeriums. Doch das KM konnte sie beruhigen: "Von der pädagogischen Aufbereitung und dem pädagogischen Konzept des Campus konnten wir uns bei mehreren Führungen überzeugen." Und BMW schrieb ihr: "Der Junior Campus mit dem Motto Mobilität mit allen Sinnen entdecken beschäftigt sich mit vielfältigen Themen rund um Mobilität und ist mit Experten aus verschiedenen pädagogischen Bereichen entwickelt und legitimiert worden. Die Marke BMW steht in diesem außerschulischen Lernort vollkommen im Hintergrund."

Also alles in bester Ordnung? Das "dreistufige Erlebniskonzept" bleibt "ab Stufe 2 Kindern und Jugendlichen vorbehalten", schreibt BMW. Erwachsene haben keinen Zutritt. Es weiß also keiner, was die Kinder hier lernen. Was ist denn, wenn der Klimaschützer BMW die lieben Kleinen heimlich ganz auf Radeln, Busfahren und Zu-Fußgehen trimmt? So viel Erziehung zur Weltfremdheit könnte doch selbst das KM nicht wollen!

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Quelle:
Auf der Website von BMW findet sich kein Hinweis auf den Junior Campus, aber dafür auf der Website der Stadt München.
Nachtrag am 10.1.08: Keine weltfremden Lerninhalte stellt das Kultusministerium in seiner jüngstenPressemitteilung zum Junior Campus fest.

Nachtrag am 16.1.2008:
Junior Campus
Beitrag im Lehrerinfo des Kultusministeriums

29 November, 2007

Vom Wunder der Interpretation

Jeder darf aus einer Studie herauslesen, was zu seinen Überzeugungen passt. Zu großer Kunstfertigkeit hat es dabei der Vorsitzende im Bildungsausschuss des bayerischen Landtags gebracht. Für Dr. Gerhard Waschler belegt IGLU den Erfolg des gegliederten Schulwesens.

Das kann er gar nicht herauslesen? Doch, er kann das. Ich zitiere - und lassen Sie sich bitte nicht aus der Kurve tragen: "Das hervorragende Abschneiden unserer Schülerinnen und Schüler in der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU bringt die hohe Qualität und Integrationskraft des gegliederten Schulwesens in Deutschland zum Ausdruck. ... Verantwortlich für dieses erfreuliche Ergebnis sind nämlich unsere - dank des gegliederten Schulwesens - speziell ausgebildeten Grundschullehrer ..."

Diese Logik verstehen Sie nicht? Dann sind Sie für das bayerische Bildungssystem nicht geeignet.

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Quellen:
Pressemitteilung der CSU-Landtagsfraktion vom 29.11.2007
IGLU-Ergebnis, zusammengefasst vom ZDF

07 November, 2007

Angst vor der eigenen Courage

Die arme Hauptschule! Nachdem es 30 Jahre lang mit dem Aufwerten nicht so recht geklappt hat, wollen immer mehr Kenner der Misere sie abschaffen. Mit dem größten öffentlichen Wirbel die 100 Rebellen aus Baden-Württemberg, unlängst die Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz und ganz aktuell Christine Strobl, Bürgermeisterin in München. Damit gerät sie allerdings bei ihrem Parteifreund Ulrich Pfaffmann an den Falschen. Der Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion, der gemeinhin für das SPD-Bildungsprogramm trommelt, in dem die Hauptschule mit der Realschule zur Regionalschule verschmelzen soll, mutiert plötzlich zum Retter der bayerischen Hauptschule. Hat er den 56-seitigen McKinsey-Report über die Pisa-Siegerländer schon durch, der doch vorgestern erst rauskam, noch dazu auf Englisch? Hat er dort gelesen, dass die Schulstruktur völlig egal sei und hat deshalb sein Schulkonzept schleunigst revolutioniert?

Vermutlich hat er einfach in den Kalender geguckt. Dort steht für den 28. September 2008: Landtagswahl in Bayern. Und auch Hauptschuleltern machen Kreuzchen.

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Quellen:

Brief der "Rebellen aus Baden-Württemberg
Hauptschulauflösungspläne in Rheinland-Pfalz
Forderung von Christine Strobl, die Hauptschule abzuschaffen
Regionalschule der Bayern-SPD
Pressemitteilung von U. Pfaffmann vom 7.11.07
McKinsey-Bildungsbericht

04 November, 2007

Das Bayernabitur

Die Bayern, so heißt es, haben das anspruchsvollste Abitur Deutschlands und damit besonders schlechte Karten, wenn sie sich um einen Studienplatz bewerben. Den schnappe ihnen jeder dahergelaufene Bremer vor der Nase weg, weil er eine bessere Abiturnote hat, auch wenn er weniger weiß. Diesen zutiefst ungerechten Zustand müsse die KMK mit einem bundesweiten Zentralabitur ändern, meint die Landeselternvereinigung der Gymnasien, und sie ermuntert Kultusminister Schneider, sich entgegen der Parteiräson dafür einzusetzen. Schneider kontert mit einer Pressemitteilung, in der er das bayerische Abitur über den grünen Klee lobt und den beschwerlichen Weg dort hin als beste Vorbereitung für ein erfolgreiches Leben.

Schon vor mehr als 30 Jahren versuchte man, Ungerechtigkeiten auszugleichen. 1972 führte die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) die Bonus-Malus-Regelung ein. Allen Bewerbern aus Bundesländern, deren Landes-Abiturdurchschnitt über dem Bundesdurchschnitt lag, wurden bei der zentralen Vergabe knapper Studienplätze Punkte abgezogen. Die Bewerber aus Ländern, die darunter lagen, bekamen Punkte geschenkt. Ein Abischnitt von 1,5 konnte so auf 1,8 abrutschen oder auf 1,2 steigen, wenn das Land um 0,3 über bzw. unter dem Bundesdurchschnitt lag.

1974 klagten zwei Abiturientinnen aus Bayern, die nicht zum Medizinstudium zugelassen worden waren. Ihre Abi-Note war heruntergesetzt worden, weil die Noten der Bayern deutlich über dem Bundesdurchschnitt lagen. Schweres bayerisches Abitur? Wohl kaum. Die Bonus-Malus-Regel wurde 1978 durch die Länderquote ersetzt. So lange die Abiturnoten bundesweit nicht vergleichbar sind, konkurriert jeder Studienplatzbewerber mit den Abiturienten aus dem eigenen Bundesland um die Plätze, die das Land von der ZVS erhält. Wenn Universitäten die Studenten selbst auswählen, dürfen sie durchaus nach der Abiturnote gehen und bei Unentschieden auch würfeln, wie der bayerische Verfassungsgerichtshof der LMU im Sommer 2007 bestätigte. Sehr zum Ärger aller, die für bayerische Abiturienten gern einen Bonus gehabt hätten.

Aber warum eigentlich? Selbst wenn die bayerischen Studenten tatsächlich besser Mathe können - die aus NRW finden wenigstens allein den Weg zur Bibliothek!

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Quellen:
PM des bayer. Kultusministeriums vom 30.10.07
Verfassungsbeschwerde gegen die Bonus-Malus-Regelung: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
Auswahlverfahren der ZVS (§ 32 des Hochschulrahmengesetzes)
Entscheidung des bayer. Verfassungsgerichtshofs vom Mai 2007 gegen Bonus für bayerische Abiturienten

20 September, 2007

Gewichtiges für Bayerns Zukunft

Die schöne Landrätin Gabriele Pauli schreibt in ihrem CSU-Programm von der Ehe auf Probe, und der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Hans-Ulrich Pfaffmann, "fordert Kultusminister Schneider auf, endlich für eine verbindliche Begrenzung des Schulranzengewichts je Klassenstufe zu sorgen - zum Beispiel durch die Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in die Schulordnungen."

Beides hervorragende Ideen, die unser Land voranbringen werden. Pauli hat in Goethes Wahlverwandtschaften nachgeschlagen, wo der Graf, der eine außereheliche Beziehung zur Baronesse hat, erzählt: "Einer von meinen Freunden, dessen gute Laune sich meist in Vorschlägen zu neuen Gesetzen hervortat, behauptete: eine jede Ehe solle nur auf fünf Jahre geschlossen werden." Bei Pauli sind es halt sieben, zweifellos ein Zugeständnis an die konservativen Parteifreunde.

Bei welchem Klassiker Pfaffmann wohl abgekupfert hat? Goethe erwähnt zwar gelegentlich seinen Tornister, aber nirgends dessen Gewicht. Egal. Ist doch schön, dass unsere Politiker so belesen sind.

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Quellen:
Paulis Wahlprogramm
"Schulranzengewicht verbindlich begrenzen" (PM der SPD Landtagsfraktion)
Die Wahlverwandtschaften (Fundstelle im zweiten Drittel der Seite)

16 September, 2007

Pack die Badehose ein

Sie haben viel Zeit, weil die Kinder aus dem Haus sind? Ihr Chef geht Ihnen schon längst auf die Nerven? Das Studium zieht sich und zieht sich und zieht sich ...? Werden Sie doch einfach Lehrer. Selbst wenn Sie kein Staatsexamen haben, können Sie in den bayerischen Schuldienst wechseln. Ob Sie dafür geeignet sind, entscheidet der Schulleiter. So lange der händeringend Lehrer sucht, stehen Ihre Chancen nicht schlecht.

Das Kultusministerium hat eine Website eingerichtet, auf der es die neuen Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall vorstellt. Demnächst soll ein Portal dazukommen, wohl eine Art Ebay für Lehrer. Schon jetzt können Sie auf der Seite nachlesen, unter welchen Voraussetzungen Sie im Vertretungspool mitschwimmen dürfen. Na dann: Pack die Badehose ein!

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Quelle:
Unterrichtsversorgung in Bayern

14 September, 2007

Eine Uni ist keine Melone

Nächsten Dienstag wird die Studie "Bildung auf einen Blick" vorgestellt. Jedes Jahr veröffentlicht die OECD eine solche Studie, jedesmal unter einem anderen Blickwinkel. Diesmal ist der "tertiäre Bereich" dran, also die Universitäten. Ilse Aigner, die bildungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, erläuterte heute, warum die Verfasser Unrecht haben. In der Studie würden "nicht nur Äpfel mit Birnen verglichen, sondern auch mit Kirschen, Bananen und Melonen." Will sagen: Die Bildungssysteme der Länder lassen sich nicht miteinander vergleichen. Insbesondere sei das deutsche unvergleichlich, auch das sagt sie.

Warum Frau Aigner schon vier Tage vor der Veröffentlichung weiß, dass in der Studie Negatives über Deutschlands Unis steht? Wenn Schwarze hellsehen, sehen sie eben schwarz.

Quelle:
Bildungsklick